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Der Fuchs - Symbol der Häresie in der patristischen Polemik gegen die Gnostiker 

Deutsche Übersetzung von: LE RENARD SYMBOLE DE L’HÉRÉSIE DANS LES POLÉMIQUES PATRISTIQUES CONTRE LES GNOSTIQUES, von Maddalena Scopello, Original aus: REVUE D’HISTOIRE et de PHILOSOPHIE RELIGIEUSES, Bd. 71, 1991/1 S. 73-88


 
Die Kirchenväter hatten mehrere ausdrucksstarke Symbole, die sie benutzten, um das Porträt des Ketzers zu versinnbildlichen, wobei sie sich auch aus ihren Kenntnissen der antiken Tierwelt bedienten.

Unter den eher als schädlich verschrieenen Tieren hat besonders der Fuchs ihre Aufmerksamkeit erweckt. Seine physischen und psychischen Charakteristika entsprechen besonders gut der häretischen Einstellung, dem Verhalten des Ketzers. Danach seien List, Trug, Mehrdeutigkeit, die angeblichen Züge des Fuchses, in ketzerischer Weise gegen die Großkirche gerichtet.

Im Rahmen ihrer Reden gegen die Häretiker findet bei den Kirchenvätern vor allem die Figur des Fuchses Verwendung.

Von Irenäus, Hippolyt und Origenes bis hin zu Gregor von Nyssa, Cassiodor und Rabart Maur stellt der Fuchs in der Exegese das beständige Objekt der Ketzerei dar: Er versinnbildlicht den Ketzer und die Folgen der Ketzerei.

Die biblischen Quellen


Die Aufmerksamkeit, welche die Väter dem Fuchs entgegenbringen, findet ihren Ansatzpunkt in den einigen Bibelstellen, in denen von ihm die Rede ist. Sie sind nicht zahlreich. Hinsichtlich des ATs erscheint der Fuchs in Richter 15 [1], der Episode von Samson, der Füchse einfängt und diese mit brennenden Fackeln an der Rute durch die Felder der Philister jagt, um solcherart die Felder des Feindes niederzubrennen.

Vom Fuchs ist in vergleichbarer Weise die Rede in Nehemia 3,35 [2] wo Tobias der Ammoniter sagt, dass ein Fuchs dazu fähig sein würde, die Mauern von Jerusalem umzuwerfen. Im Hohelied 2,15 spricht die Geliebte: „Fanget uns die Füchse, die kleinen Füchse, welche die Weinberge verwüsten, denn unsere Weinreben stehen in Blüte“ [3]. In den Klageliedern 18 führt der Prophet im Sinnbild den Berg Zion an, der verwüstet und von Füchsen bevölkert ist.[4] Ezechiel vergleicht in seiner Beschimpfung der falschen Propheten (Ez 13,4) diese zuletzt mit Füchsen, welche aus Orten der Verwüstung Heimsuchung bringen.[5] Schließlich kommen Füchse noch in Psalm 63,10-11 vor, dem Psalm von David in der Wüste von Juda, wo Diejenigen, die auf der Suche nach Gott den Verlust der Seele riskieren, von der Seite her und aus den Tiefen der Erde von den Füchsen angegriffen werden.[6]

Hinsichtlich des Neuen Testamentes erwähnt Jesus die Füchse, die Höhlen haben, im Unterschied zu dem Menschensohn, der nichts hat, wo er sein Haupt hinlegen könne (Mt 8,20 und Lk 9,58) [7]. In Lk 13,32 vergleicht Jesus, als er von der Feindseligkeit des Königs Herodes (Antipas) erfährt, diesen mit einem Fuchs [8].

Diese wenigen Bibelstellen definieren sofort den Aktionsradius des Fuchses: Er bewegt sich an einsamen Orten: In Wüsten, wilden Gebirgslandschaften und Geröllhalden. Der Fuchs ist ein nachtaktives Tier, das nachts am Waldesrand jagt; er wohnt tief in der Erde, in meist unterirdisch gelegenen Höhlen, hat also eher wenig übliche Behausungen. Als einzelgängerisches Tier sucht der Fuchs dennoch seine Nahrung woanders: Die bestellten Felder und die Weinberge stellen sein bevorzugtes Jagdrevier dar. Das Handlungsfeld des Fuchses ist also von zweifacher Natur: Er bewegt sich auch von einem geschlossenen und unterirdischen Raum (Höhle) in einen anderen geschlossenen Raum, der aber unter freiem Himmel liegt und von Menschenhand gestaltet ist - das Feld und die Weinberge. Zwei Arten von Gegensätzlichkeiten schälen sich derart heraus: Das Grenzenlose und das Abgegrenzte, das Wilde und das Kultivierte. Es ist das Charakteristische des Fuchses, vom einen zum anderen überzugehen. Er ist der Herr der wilden Plätze, er bringt ein Element von Chaos und Zerstörung in geschützte Räume. Seine Verwurzelung mit der Unordnung und in der Folge davon auch der Zerstörung stellen eine der am bestbekundetsten Charakterzüge des Fuchses dar. Davon kündet das Hohelied 2,15: Die Absicht der Füchse, in die Weinberge einzudringen, ist in diesem Fall nicht unbedingt die, dort Nahrung zu finden, da die Weinrebe ja zu diesem Zeitpunkt noch in Blüte steht, sondern Unordnung zu säen, um sie zu zerstören.

Ein anderer Zug, der den Fuchs in diesen biblischen Texten charakterisiert, ist die List. Wenn Jesus Herodes einen Fuchs nennt, zielt er damit ab auf seinen durchtriebenen und listigen Verstand. Die bezeichnendste Episode in dieser Hinsicht jedoch ist diejenige, die im Buch der Richter erzählt wird. In der Geschichte von Samson und den Füchsen, die wie ein nicht genau definierter Schlüssel zum Themenkomplex List und Gewundenheit ist, benutzt der Erzähler in gewisser Weise die füchsische List, um dem Feind die Zerstörung zu bringen. Um diese zu erreichen, verwendet er das gleiche Symbol der List - den Fuchs: „Er lässt die Tiere in die reifen Weizenfelder der Philister laufen und verbrennt dadurch die ganzen Garben der Ernte bis auf den Grund, ebenso die Weinreben und Olivenbäume.“ Durch die Hand Samsons fungiert der Fuchs somit symbolisch als Angriffswaffe auf die drei Stützen, welche die mediterrane Zivilisation versinnbildlichen: Der Weizen, die Weinrebe, den Olivenbaum. [Anm. d. Üb.: Deutet man die Geschichte unter dem Motto „mit den eigenen Waffen besiegt“, muss der Fuchs im Umkehrschluss ein bedeutendes Tier der Philister gewesen sein!]. Das Nachspiel davon verdient ebenfalls Erwähnung. Nach seiner Tat flüchtet sich Samson in eine Felsenhöhle:[9] Er handelt somit nach Art des Fuchses, der nach jedem Raubzug in seine Höhle zurückkehrt. In diesem Spiel der Identifikationen macht sich Samson quasi selbst zum Fuchs, indem er dessen Art und List assimiliert.

Die jüdischen Quellen


Die erwähnten Bibelstellen legen einige Aspekte des Fuchses dar, die gleichzeitig auf zoologischen Fakten und jüdischer Folklore beruhen. Vergleichbares ist uns auch aus dem Talmud und dem Mithras-Kult bekannt.[10] Die Sagen vom Fuchs waren zahlreich: Sanhedrin 38b erwähnt 300 Parabeln, die Rabbi Meir über das Thema verfasst haben soll. Der Fuchs zeichnet sich gegenüber anderen Tieren durch seine Intelligenz und Weisheit aus: Einer im Judentum sehr bekannten Sage zufolge wünscht sich der Leviathan diese Qualitäten anzueignen, indem er das Herz des Fuchses verschlingen zu beabsichtigt (was ihm natürlich nicht gelingt).[11]

Bei Gefahr weiß der Fuchs seine Begabung von klarer Intelligenz in List und überlegte Schläue umzuwandeln. Als er sich dem Todesengel gegenübersieht, verlangt dieser, dass von jeder auf dem Land anwesenden Tierart ein Paar ertränkt werde. Doch der Fuchs findet einen Weg, diesem schrecklichen Ende zu entkommen: Er überzeugt tatsächlich den Engel, dass das Bild, das im Wasser als schlichte Spiegelung des Fuchses zu erkennen ist, in Wahrheit ein Fuchs aus Haut und in Knochen sei, den man bereits den Fluten übergeben habe.

Das Beachtenswerte dieser Sage ist die Darstellung vom Spiel der Erscheinungen, in deren Erkennen sich der Fuchs als Meister erweist. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes die „Vorspiegelung falscher Tatsachen“, die der Fuchs zwar nicht direkt herbeiführt, wohl aber durch seine geistige Klarheit auch eine andere Realität zu erkennen vermag, die den Gegner irreführt und dem schwächeren Fuchs die Macht verleiht, ihn zu besiegen.

Das Thema, das die engen Konturen dieser Sage überschreitet, findet sich in zahlreichen Erzählungen vom Fuchs wieder und erlaubt Figuren und Charakteren, die dem doppelten Weltall des vorgespiegelten Aussehens angehören, ihre symbolische Identifikation.

Die jüdischen Texte heben beim Fuchs einige physischen Züge hervor, die jenseits ihrer unmittelbaren Bedeutung von einem symbolischen Inhalt geprägt sind.

Vom Fuchs heben die jüdischen Texte einige physischen Züge hervor, die jenseits ihrer unmittelbaren Bedeutung von einem symbolischen Inhalt geprägt sind.

Eine Eigentümlichkeit betreffend seiner Nahrungsbeschaffung charakterisiert den Fuchs: Er frisst für sein Leben gern Weintrauben.[13] Diese Tatsache, die schon das Hohelied 2,15 erahnen lässt, ist auch Gegenstand eines Kommentars im Mithras Rabbah des Ekklesiastes (Prediger) V,14 [14]. In Paragraph 1 der Auslegung dieses Verses „war er ganz nackt und wird sich davonschleichen, wie er gekommen ist“, dabei wird eine Erzählung von Genibah zitiert: „Es ist wie beim Fuchs, der einen ganz von Mauern umzäunten Weinberg fand. Es gab nur eine Öffnung, durch die er hätte hineingelangen können, doch sie war zu eng für ihn. Was tat er darauf? Er fastete drei Tage lang, bis er immer magerer wurde und schließlich ganz abgemagert war, sodass er am Ende durch das Loch passte und hineinkam. Einmal darinnen, stellte er sich auf die Hinterläufe, um an die hoch gewachsenen Trauben zu kommen und sie zu verschlingen; solcherart wurde er dann allerdings wieder so dick, dass er, als er aus dem Weinberg wieder hinaus ins Freie wollte, ihm das angesichts der schmalen Öffnung natürlich nicht gelingen konnte. Er fastete dann erneut drei Tage lang, um wieder ganz mager zu werden, bis er auf diese Art hinauskam. ‚Weinberg, oh Weinberg, die Früchte in dir sind so gut! Alles in dir ist so schön, so würdig und so lobenswert, doch welche Freude kann man auf Dauer an dir haben? Wie man in dich eintritt, so tritt man auch heraus: So gehe in die Welt!’“

Der symbolische Wert dieser Erzählung existiert in der Spannung, die der Fuchs durch sein Ein- und Austreten des von der Weinrebe dargestellten hortus clausus auslöst. Als besonders dynamisches Tier verwirklicht sich der Fuchs in der Veränderung und nicht in der Dauer. Dies findet in den sukzessiven Wandlungen, die er seinem Körper derart aufbürdet, dass sich dadurch die Morphologie verändert, seinen sichtbaren Ausdruck. Daraus ergibt sich, dass die typische äußere Erscheinung des Fuchses, wie wir sie kennen, eine vorübergehende und veränderliche ist: Irreführend und nach Art ihres Geistes wie eine Stromschnelle. [Anm. d. Üb.: Hierbei ist interessant, dass bei den Dogon „ogu“ bzw. „Ogo“ - der Name des Fuchses, bevor er in den Fuchs Yurugu umgewandelt wurde, soviel wie „Stromschnelle bedeutet!].

Eine andere Eigentümlichkeit des Fuchses ist, anstatt sich eine neue Höhle zu bauen, sich in der Höhle von anderen niederzulassen, manchmal in verlassenen, manchmal nach Verjagung der Besitzer.[15] Dieses Detail der zoologischen Ordnung wird im Talmud beschrieben; es unterstreicht den doppelsinnigen und kaum fassbaren Aspekt des Fuchses.[16] Die Eigenschaft, den Wohnsitz von einem anderem zu übernehmen, zielt darauf ab, Chaos und Störung in der Tierwelt zu säen und zeugt vom rastlosen Wesen des fliehenden Fuchses, das es so schwer macht, ihn zu umzingeln. Die in dem Detail der Höhle erkennbare Verlagerung, die sich zwischen ihm selbst und dem anderen vollzieht, wird noch mehr betont in den griechischen Quellen, welche das Verstellen des Fuchses erwähnen, die er anwendet, um seine Ziele zu erreichen.[17] [Anm. d. Üb.: Neben dem Totstellen natürlich die Verkleidung als Priester, in Fernost als Verführerfüchsin usw.!]

In diesem Sinne vermerkt auch der Talmud den neugierigen Gang des Fuchses, der seitwärts gerichtet ist: „In seiner Flucht läuft er nicht gerade aus, sondern macht Sprünge nach links und nach rechts.“[18] In diesem Sinne vermerkt auch der Talmud den neugierigen Gang des Fuchses, der seitwärts gerichtet ist: „In seiner Flucht läuft er nicht gerade aus, sondern macht Sprünge nach links und nach rechts.[18] Diese Eigentümlichkeit wird oft von den griechischen Zoologen festgestellt, und sie wird wie der physische Ausdruck von der Psychologie des Fuchses her interpretiert. Darauf wird noch zurückzukommen sein.

Die klassischen Quellen


Wenn man sich den klassischen Quellen zuwendet, findet man dort reiche Materialien über den Fuchs, sowohl bei den Zoologen als auch bei den Fabeldichtern.

Im jüdischen Milieu erschien der Fuchs wie ein Tier der Außenwelt. Bei den Griechen verdienen verschiedene Verbindungen des Fuchses mit der ruhigen Luft sowie auch den entfesselten und wilden Elementen wie Eis und Feuer hervorgehoben zu werden.

Plinius der Ältere [19] führt eine thrakische Sitte betreffend den Fuchs auf die Bezugnahme der Orakel zu Tieren und Naturwundern zurück: „In den eiskalten Regionen Thrakiens deutet man das Orakel, das vom Fuchs gegeben wird, hinsichtlich seiner Schläue, selbst wenn es schlechte Omen sind. Die Einwohner überqueren die gefrorenen Flüsse und Seen so lange nicht, bis sie ihn dort sehen, wie er es riskiert. Viele haben beobachtet, wie er sein Ohr auf das Eis lege, um dadurch seine Tragfähigkeit zu erahnen.“ Auch Elien kennt diese Fähigkeit des Fuchses, die Stärke des Eises zu testen.[20]

Eine Verbindung zwischen dem Fuchs und dem Feuer, das Kulturen vernichtet, ist in einer Episode, die bei Ovid [21] wiedergegeben wird (unter Berufung auf Richter 15) beglaubigt. Wir finden dort die Erzählung von einer diebischen Füchsin, die von einem Bauern erwischt wird, welcher sie in Stroh einwickelt und dann in Brand setzt. Das in Panik geratene Tier jedoch rettet sich in die Felder und entzündet solcherart einen Brand, der die Ernte vernichtet. Von dieser Episode her erklärt Ovid ein Gesetz in der Region Carseoli, welches verbietet, den Fuchs beim Namen zu nennen. Um darüber hinaus diese Tierart noch zusätzlich zu strafen, wurde beim Ceres-Fest jedes Jahr ein Fuchs verbrannt, damit er auf die gleiche Art untergehe, wie die Ernte, an die sein Artgenosse einst das Feuer gelegt hatte. Die verschiedenen Aspekte des Fuchses, die in den jüdischen Quellen hervorgehoben werden, finden ihren allgemeinen Nenner in der listigen Intelligenz, die das Verhalten dieses Tieres ebenso steuerte wie seine Angewohnheiten. Wir treffen dieses gleiche Band zwischen dem Fuchs und der List auch in den griechischen Quellen wieder an, und zwar verstärkt. Sehr von der Überzeugung geprägt, dass bei den meisten Tieren Spuren von psychologischen Elementen des Menschen vorhanden seien,[22] stellt Aristoteles eine Klassifizierung der Charaktere der verschiedenen Arten auf und kennzeichnet dabei den Fuchs als Stellvertreter der listigen und boshaften Tiere.[23]

Bei den Griechen ist die List ein besonderer Typus der Intelligenz, den man Hybrid nennt.

M. Détienne und J.-P. Vernant haben dem Hybriden ein bemerkenswertes Buch gewidmet: „Die Listen der Intelligenz“.[24] Der Hybrid, so erklären sie, ist ein Intelligenztypus, der an der Praxis orientiert ist und Widerständen trotzt, mit denen man in schlauer Weise umgehen muss, um in den verschiedensten Bereichen seines Wirkens Erfolg zu haben. Konkret heißt das zum Beispiel: Der Mischling enthält „insgesamt konträre Denkformen, die Spürsinn mit Scharfsinn und geistige Beweglichkeit oder Sanftheit mit Verstellung und Täuschung kombinieren. Er widmet sich flüchtigen, sich bewegenden, verwirrenden, mehrdeutigen Wirklichkeiten“.[25] Als Teil dieser Arbeit enthält der Band auch einen Aufsatz über den Fuchs.[26]

Im Bereich des Hybriden zeigen die Autoren den Symbolgehalt des Fuchs mit listiger Intelligenz auf, dort, wo der Betrug und die Falle herrschen: Eine mehrdeutige Welt aus Doppelzüngigkeit und Schlauheit. Für das griechische Denken hat der Fuchs einen Modellcharakter unter allen Tieren, der ihn vom Hybriden unterscheidet: Er verkörpert die List in der Tierwelt. Sein ganzer Lebenswandel ist gekennzeichnet von Falle und Betrug, von Verstellung und vorgespiegeltem Aussehen. Polymorph und durchtrieben, ist der Fuchs Meister der Situationen, in denen es durch List erreicht wird, die Kräfteverhältnisse zugunsten des Schwächeren zu ändern. Die Fuchshöhle [27] ist übrigens in ihrem Erscheinungsbild äußerst irreführend, mit mehreren Eingängen und Tunneln, die ihm ermöglichen, den Fallen der Jäger zu entgehen. In ihr schmiedet er seine Pläne. In seiner Art, die Beute zu erwischen, wird der heuchlerische Fuchs ebenfalls von der List getrieben: Er stellt sich tot, um in dem Moment wieder lebendig zu sein, wenn es gilt, das Opfer zu fangen. Bei seinen Techniken der Verstellung und Nachahmung wälzt er sich in der Erde, um die Farben [28] des Todes und der Verwesung anzunehmen, dann schnellt er urplötzlich, sich dabei gleichzeitig drehend, hoch, um die Beute [29] zu überraschen, was ihm oft den Sieg über die meisten anderen Tierarten bringt. Als Inkarnation der List spiegelt der Fuchs durchtriebene Intelligenz, die ihm angehört, in seinem Verhalten wider.

Den Hybriden charakterisiert eine Art fortwährendes Schaukelspiel - ein Wechsel zwischen zwei Gegenpolen.[30] Diese Bemerkung von Detienne und Vernant kann sich auf die zuvor besagten Episoden vom Fuchs und seinen Höhlengängen beziehen (oder um von zwischen geschlossenen und offenen Räumen hin- und her zu wechseln).

M. Détienne und J.-P. Vernant beobachten, dass der Hybrid von einem semantischen Feld umgeben ist, [wie im Hellenismus üblich],[31] und das dies auf der Ebene des Wortes ebenso Gültigkeit hat wie bei Bildern und Gebrauchsgegenständen.

Selbst ein Vokabular, das durch die Jahrhunderte hindurch keinen Veränderungen unterworfen ist, unterstreicht die geistigen und körperlichen Haltungen des Fuchses. Ausdrücke wie aimulos, panourgos, poikilos bezeichnen sein Wesen näher, doloi oder apatai weisen auf seine Handlungen hin.

Der Hybrid und eines seiner Symbole, der Fuchs, kommt im griechischen Denken vor bei Äsop, Homer, Aristoteles und Ovid und wurde von den Kirchenvätern in oberflächlicher Weise behandelt, die sich sein Image aneigneten, um ein Thema zu erörtern, das ihnen auf der Seele brannte: Das des Ketzers und der Ketzerei. Was könnten sie Besseres gefunden haben als das reiche semantische Feld der List, um das Bild des Ketzers negativ darzustellen?

Im Symbol des Fuchses entdeckten sie ein weites Feld, um das Verhalten, die Tätigkeiten und die Methoden des Ketzers gegenüber der Kirche, ihrer Anhänger und der Schrift zu beschreiben.

Im Symbol des Fuchses entdeckten sie ein weites Feld, um das Verhalten, die Tätigkeiten und die Methoden des Ketzers gegenüber der Kirche, ihrer Anhänger und der Schrift zu beschreiben. In Letzterer fanden sie auch den Stoff, um ihre Polemik gegen die Ketzerei zu stützen. Die biblischen Episoden vom Fuchs werden von den Vätern so interpretiert, dass sie die Meinungsverschiedenheiten illustrieren, welche die Welt seitens der Ketzerei und dessen angeblichem Mangel an Treue zur Wahrheitsliebe durchlaufen.

Besonders im zweiten und dritten Jahrhundert findet man die nachfolgend zu prüfenden Autoren, welche in ihrer Polemik die Ketzer in Gestalt der Gnostiker anvisieren.

Hippolyt von Rom: Der Fuchs oder die Gefahr der gnostischen Häresie


Hier geht es vor allem um den Fuchs in seinem Kommentar zum Hohenlied. Diese Abhandlung ist vor allem in georgischer Sprache erhalten.[33] Eine gekürzte Paraphrase dieses Kommentars auf Griechisch wurde von M. Richard herausgegeben.[34] In der georgischen Version, Kap. 20,1-4, kommentiert Hippolyt kommentiert Hld 2,15:

„Oh selige Stimme der Wahrheit in Wahrheit verkündigend, durch welche die Häresien überführt wie Füchse in die Enge getrieben werden! Haltet uns die kleinen Füchse, welche die Weinberge verderben.“: Wie sie noch klein sind, haltet sie, damit sie nicht herangewachsen mit ihrer Bosheit anfüllen den Weinberg. Was er beratend sagt: „Haltet uns die kleinen Füchse“ sagt nichts anderes als: Nehmt hinweg von uns die Häresien, damit rein „der Teig“ erscheine.

„Haltet uns die Füchse“ bedeutet also, dass man sie fangen soll, bevor sie erwachsen sind, damit sie die ‚Weinreben ihres Betrugs’ (dolositas) nicht füllen können.“ Und sehr direkt fügt er hinzu: „‚Haltet uns die kleinen Füchse’ will sagen, dass man die Ketzerei unter [den Gläubigen] eliminieren soll, bevor sie in ihrer Ganzheit durchbricht.[34]. Deshalb nennt man die Ketzer ‚Füchse’“:

Der Häresiologe knüpft in seinem Kommentar an andere Bibelstellen an, in denen vom Fuchs die Rede ist.

„Wolle du sehen, oh Mensch, dass als Füchse nach Wahrheit er die Häretiker zeigt. Denn die ‚falschen Propheten’ sind nichts anderes als die Häretiker, es sind die falsch (fallacia) lehrenden und Lüge (mendacium) predigenden Häretiker. Denn Jeremias ruft sprechend: ‚Siehe, deine Propheten, oh Jerusalem, wie Füchse jagend [in ihren Höhlen].“

Das Zitat, das Hippolyt Jeremia zuteilt, ist in Wahrheit eine Nachahmung von Ezechiel 13,4 (wo die falschen Propheten an Füchsen gemessen waren), und von Klagelieder 5,18 (die unterirdischen Höhlen der Füchse). Der Autor erweitert seine Arbeit über den Fuchs, indem er das Wort Jesu gegen Herodes zitiert:

„Es erwidert Christus zu Herodes: ‚Saget jenem Fuchs: Siehe noch heute, morgen vollbringe ich Wundertaten, und am dritten Tage werde ich verherrlicht werden.’“

 und erst danach gelangt er zu der Stelle aus dem Buch der Richter, wo es um Samson und die 300 Füchse geht. Er deutet diese mysteriöse Episode wie folgt:

„Was aber ist auch wieder Samson für ein neues Wunder der Geheimnisse in Betreff der Füchse vollendend. Als sein Weib geraubt wurde, ‚ergriff er 300 Füchse’ und, ‚die Schwänze aneinander’ gebunden habend, band er Fackeln an, und nachem er sie angezündet, ‚sandte er sie fort’; und alle seienden Weinberge verbrannte er. Ein Zeichen aber es derer, welche das letzte Feuer verbrennt. Dies zeigt, wie die Häresien waren. Das Binden aber von Schwanz an Schwanz, damit er ihre Gesetzlosigkeit überführe. Aber die brennenden Fackeln an den Schwänzen das Feuer flammend ihnen im letzten Gericht.“

Nach diesem Umweg über die Propheten und Richter kommt Hippolyt wieder zurück zum Hohenlied:

„Was bedeuten die Weinreben? Sie bedeuten den Weinberg, die neue Pflanzung, und dass die Füchse, die Ketzer, diese versuchen zu untergraben, zu verwüsten und zu verderben, auf dass die reife Weintraube nicht von Christus geerntet werden könne.“

Im Vergleich zum georgischen Text ist die griechische Paraphrase des Hohenliedes geraffter. Zudem spricht der georgische Text von Ketzern, der griechische von Ketzereien. Der Kommentar über die Episode von Samson hat eine zeitgenössische Betonung bei Hippolyt betreffend die Jagd auf die Ketzer: „Die symbolische Bedeutung der Füchse ist, dass sie die Ketzereien andeuten, indem sie beginnen, den Kopf zu heben. Die Tatsache, dass die Füchse Schwanz an Schwanz gebunden sind, zeigt, dass die Ketzereien ungleiche Elemente enthalten und sich widersprechen.

Meinungsverschiedenheiten, Ungleichheiten, Widerreden. Betrug, Fehler, Lüge: Dieses schiefe Bild des Fuchses ließ einige größere Kontroversen und Meinungsstreitigkeiten entstehen.[36]

Die Häresie, die Hippolyt hier anvisiert, ist die Gnostik. Die Kontroversen, typisch für die Werke der Widerlegung und Polemik der Väter gegen die Gnostiker, [37] verblassten in diesem Kommentar von Hippolyt gegenüber anderen Werken literarischer Art über das Hohelied. Dies zeigt, dass das Problem der gnostischen Ketzerei eine dauerhafte Sorge für die Kirchenväter darstellt.

Irenäus: Der Fuchs oder die gnostische Verfälschung der Schrift


Der Häresiologe baut das erste Buch seines Werkes „Gegen die Häresien“ [38] um eine Allegorie des Fuchses, die ihm gestattet, eines der Probleme zu behandeln, das ihm in seinem Kampf gegen die Gnostiker am meisten am Herzen liegt: das von der Verfälschung der Schrift.

Die Absicht von Irenäus’ Werk ist in der Tat nicht nur, die gnostischen Systeme zu widerlegen, sondern auch die wahrhaftige Auslegung der Schrift, die im Schoß der Kirche gründen muss, in Übereinstimmung mit der Wahrheit des Buchstabens und der Nachfolge der apostolischen Tradition, außerhalb der sich die Gnostiker finden, wiederherzustellen. Da die Letzteren die Rechtmäßigkeit von der Aufeinanderfolge der Apostel ablehnen, haben sie, dem Bischof von Lyon zufolge, nicht das Recht, sich der Exegese der Schrift zu widmen, was sie aber dennoch in der Absicht tun, die Neubekehrten von der christlichen Kultur wegzulocken.

In dieser Atmosphäre von Betrug und Verfälschung führt Irenäus einen Vergleich mit dem Fuchs ein:

„Das ist so, wie wenn man das schöne (Mosaik-)Bild eines Königs vor sich hat, von einem tüchtigen Künstler sorgfältig aus wertvollen Steinchen ausgeführt, und es kommt einer, der die Umrisse der Menschengestalt zerstört und die Steinchen durcheinander wirft und umändert und die Gestalt von einem Hund oder Fuchs daraus macht, noch dazu in schlechter Ausführung, und dann erklärt und behauptet, das sei das besagte schöne Bild des Königs, das der tüchtige Künstler ausgeführt hat, und dazu auf die Steinchen zeigt, die von dem ersten Künstler gekonnt zum Bild des Königs zusammengesetzt gewesen waren, vom zweiten aber in übler Weise zur Hundsgestalt durcheinandergeworfen wurden. Und mit seinem Gebilde von Steinchen betrügt er die weniger Erfahrenen, die keinen Begriff von einer königlichen Gestalt haben, und redet ihnen ein, die stinkende Figur des Fuchses sei das schöne Bild des Königs. Genau so machen sie es: Sie schustern Altweibermärchen („Mythen“: vgl. 1 Tim 4,7) zusammen und reißen dann von überall her Texte, Sätze und Parabeln an sich und wollen ihren Geschichten die Worte Gottes anpassen.“ (Iren., Gegen die Häresien 1,8,1).

Der König, unanfechtbares Symbol der Wahrheitsregel, wird solcherart dem Fuchs, dem schwindlerischen Symbol des ketzerischen Betruges entgegengestellt. Irenäus will damit aussagen, dass diejenigen, die nicht in der Wissenschaft der Auslegung der Schrift bewandert sind, eine leichte Beute des ketzerischen Fuchses werden. Die Geschicklichkeit der gnostischen Meister liegt seiner Ansicht nach darin, Texte und vereinzelte Namen zu erwähnen, die sie dann nicht ihrer natürlichen Bedeutung nach auslegen, sondern eine Bedeutung angedeihen lassen, die befremdlich ist. Er kritisiert sie dann in polemisierender Weise:

„Denn nachdem sie sich ihre eigentümliche Grundidee gebildet haben, sammeln sie Ausdrücke und Namen, wie sie verstreut vorkommen, und ersetzen, wie gesagt, deren eigentliche Bedeutung durch einen fremden Sinn. Sie tun dabei dasselbe wie Leute, die sich ganz beliebige Ideen vornehmen, die sie dann mit Hilfe von Homer-Versen zu bearbeiten versuchen; wer sich weniger auskennt, kann dann meinen, dass Homer die Verse auf das Thema gedichtet hat, das da aus dem Stegreif behandelt wird. Und viele werden durch die geordnete Versfolge zu der Meinung hingerissen, dass das am Ende tatsächlich von Homer so gedichtet worden ist. So hat es beispielsweise einer gemacht, der in homerischen Versen schrieb, wie Herakles im Auftrag des Eurystheus den Höllenhund holen sollte. Es steht gar nichts dagegen, des Beispiels wegen das zu erwähnen, da es sich hier und da um dasselbe Verfahren handelt.“

...

Jeder arglose Mensch wird von solchen Versen hingerissen und glaubt, dass Homer sie in dieser Form auf das gestellte Thema gedichtet hat. Dem Homer-Experten sind dagegen zwar die (einzelnen) Verse geläufig, aber nicht die Thematik, weil er weiß, dass der eine Text von Odysseus redet, der andere eben von Herakles, der nächste von Priamos, von Menelaos und Agamemnon. Wenn er sie auseinander nimmt und jeden Vers wieder an seinen richtigen Platz stellt, ist das ganze Unternehmen erledigt. Ganz genauso geht es dem, der am Kanon (der Regel) der Wahrheit` unbeugsam festhält, den er durch die Taufe bekommen hat; ihm sind die biblischen Namen, Ausdrücke und Parabeln geläufig, die blasphemische Thematik dieser Leute aber nicht. Die (Mosaik-)Steinchen sind ihm zwar vertraut, er lässt aber den Fuchs nicht als das Bild des Königs gelten. Er stellt jedes Wort wieder an seinen richtigen Platz, passt es in den Leib der Wahrheit ein und stellt so ihre Erfindung bloß und beweist, dass sie unhaltbar ist.“ (ibd. I,9,4)

Irenäus hat genug Vertrauen in die kirchliche Lehre, um mit den Drohungen gegen die Ketzerei Front zu machen. Die Absicht seines Werkes ist, um sie zu bekämpfen und sie an die christlichen Messer liefern zu können, die gnostischen Systeme zu studieren und zu beschreiben. Das ist es, was er in einer Übersicht zu seinem ersten Buch der Widerlegungen ankündigt, dort wo das Bild des Fuchses den Leib der ketzerischen Doktrin versinnbildlicht, den man an abtöten müsse, damit die Kirche bestehen bleibe:

„Deshalb habe ich den Versuch gemacht, das ganze schlecht zusammengesetzte Körperchen dieses Füchsleins ans Licht zu ziehen und öffentlich auszustellen. Nachdem ihre Lehre allen öffentlich bekannt gemacht ist, braucht es nicht mehr viele Worte, um sie zu widerlegen. Das ist, wie wenn ein wildes Tier im Wald verborgen haust und von da angreift und viele Menschen umbringt. Wer den Wald aushaut und lichtet, so dass man das wilde Tier nun sehen kann, der gibt sich keine Mühe mehr, es einzufangen, da ja ohnehin jeder sieht, dass die Bestie eine Bestie ist, denn man kann die mörderische Bestie jetzt ja sehen und sich vor ihren Angriffen hüten, von allen Seiten auf sie schießen und sie verletzen und töten. Genauso ist es in unserem Fall: Wenn wir ihre verborgenen und von ihnen mit Schweigen umgebenen Mysterien an die Öffentlichkeit gebracht haben, ist es nicht mehr notwendig, mit vielen Beweisen ihre Lehre umzustoßen. Denn es steht dir und allen, die bei dir sind, jetzt frei, sich mit dem Gesagten zu beschäftigen, ihre wertlosen und plumpen Lehren zu stürzen und zu zeigen, dass sie nicht mit der Wahrheit übereinstimmen.

Trotzdem will ich, wie versprochen, nach Kräften die Widerlegung dieser Leute vortragen, indem ich ihnen allen im nächsten Buch widerspreche - meine Erklärung zieht sich also, wie du siehst, in die Länge -; auch Mittel für den Weg zu ihrer Widerlegung will ich mitgeben, indem ich ihnen der Reihenfolge nach, in der wir darüber gesprochen haben, in allen Punkten entgegentrete. Wir wollen die Bestie ja nicht nur vorzeigen, sondern sie auch von allen Seiten verwunden.“ (ibd. I,31,4)

Origenes: Der Fuchs oder der Kunstgriff der ketzerischen Rede


Ganz wie Hippolyt verbindet Origenes den Fuchs mit der ketzerischen Rede. Er befasst sich damit in seiner Homilie zu Ezechiel,[39] im Kommentar zum Hohenlied [40] und in der Homilie zu Numeri [41] Texte, die er dank der lateinischen Übersetzung von Rufinus kannte. Eine Erwähnung über den Fuchs wird auch in der Schrift „Gegen Celsus“ [42] gemacht und in einem Auszug des Kommentares zu Matthäus, die in Griechisch erhalten ist.[43]

Die Überlegungen, zu denen Origenes über den Fuchs anregt, haben ihren Ausgangspunkt in den wenigen Bibelstellen, die bereits von Hippolyt angeführt wurden. Da andere Kirchenväter dieselben Stellen verwendeten, scheint es fast so, dass die betreffenden Ansichten, die bei den Kirchenvätern kursierten, absichtlich Verbreitung fanden.

In der Ezechiel-Homilie, Vers 11,4-5 44, deutet Origenes die Füchse im Satz „Israel, deine Propheten sind wie Füchse in den Wüsten“ als ketzerische „Meister der Fehler“ (falsi magistri). Und er sagt „Der Fuchs ist ein boshaftes Tier (nequam), voll von Kunstgriffen (versutum), unbezähmbar, [lüstern] und grausam (ferum)“.

Die Stelle bei Ezechiel, das Zitat von Lukas über Herodes, den Fuchs, sowie die Passage im Buch der Richter, wo von Samson die Rede ist, kommentiert Origenes folgendermaßen: "Die Meister des Fehlers sind von dieser Art: Voll von Kunstgriffen (versuti), abartig (maligni), in allem diesen Tieren gleich. Wenn ich also derart bin“, so fährt er fort, an die Ausdrucksweise bei Ezechiel anknüpfend: „bin ich den Füchsen gleich. Den Füchsen in den Wüsten, den Füchsen in den Ruinen, den Füchsen auf den Weinbergen - je nachdem welche Übersetzung der Bibel man verwendet.[45] Diese Tiere sind voll der Schlauheit (versipelles) und der Boshaftigkeit (nequam). Sie wohnen stets in der Wüste und an abgelegenen Orten. Wo jedoch die mit heiligem Geist erfüllte Seele von Gott bewohnt ist, können die Lehren der Ketzer nicht eindringen, kann sich ihre Rede keinen Weg bahnen. Dort hingegen, wo der Gesalbte abwesend ist, und wo es Gerechtigkeit nicht gibt, sondert die unheilvollen Lehre (nequissimae) der Ketzer ihr Gift ab. Deshalb hat Ezechiel gesagt: ‚Deine Propheten sind wie Füchse'".

Zwischen dem Fuchs und dem Ketzer vollzieht sich hier die ganze Terminologie hindurch eine fortwährende Bedeutungsverschiebung, die auf zwei Stützen fußt. In diesem Zusammenhang verdienen zwei Ausdrücke eine besondere Aufmerksamkeit: versutus und versipellis. Versutus ist der, der die List mit versutia,[46] dem Kunstgriff versieht. Versutus ist auch der, der weiß, wie man sich windet, der immer Auswege findet, und der von flinkem Geist ist.[47] Infolgedessen zeigt uns versutus das auf, was dazu geeignet ist, sich dem Gegner zu entziehen. Dieser Ausdruck erinnert an eine der typischsten Verhaltensweisen des Fuchses, wie er von den griechischen und lateinischen Zoologen festgehalten wurde: Seine Kehrtwendung. Der Fuchs dreht sich in der Tat abrupt um sich selbst, um die Beute besser packen zu können. Solcherart ist auch die Haltung des Ketzers, die sich unter harmloser Aufmachung bereitmacht, von der Seele seines Opfers Besitz zu nehmen.

Der Ausdruck versipellis [48] hat im Prinzip den gleichen Sinn, fügt aber eine zusätzliche Nuance hinzu: Er zeigt die Geschmeidigkeit, die wandelbare Seite des Fuchses. Er dient Origenes dazu, die geschickte und glänzende, aber täuchende Dialektik zu beschreiben, in deren Kunst die Ketzer Meister sind.

Bei den Häretikern, die Origenes in seiner Allegorie mit Vergleichen zu den Füchsen nur so übersät, sind, wie er uns selbst informiert, einerseits die Marcioniten und andererseits die bedeutende Gemeinschaft des Valentinos, die für ihre glänzenden Sophismen (Scheinbeweise) bekannt gewesen sein sollen.

In Origenes’ Kommentar zum Hohenlied setzt sich die Auslegung über den Fuchs in den von seiner Ezechiel-Homilie bekannten analogen Ausdrücken fort. Das semantische Feld ist dasselbe. Es ist keine Frage von calliditas und astutia, fallacitas und dolosa sophismata, decipere und insidiare.

Der Fuchs hat hier eine zweifache Bedeutung.

Zum ersten versinnbildlichen die Füchse wie in der Ezechiel-Homilie „die abartigen Lehrer der häretischen Doktrin, die das Herz der Unschuldigen verführen und die Weinreben Gottes ausmerzen, damit sie nicht der Regel des Glaubens zufolge blühe“. Die verlogenen Scheinbeweise dieser Ketzer sind Origenes zufolge „in den Augen der Ignoranten verführerischer als die Lehre der Wahrheit“ (Kommentar zum Hohenlied III,2,14).

Zum zweiten müssen die Füchse verstanden werden als „die feindseligen Mächte und die schlechte Natur der Dämonen“. Zweitens müssen die Füchse verstanden werden wie «die feindseligen Mächte und die schlechte Natur der Dämonen». Diese zerstören „durch gewundene Gedanken und eine Fähigkeit geistiger Gerissenheit die Blume der Tugend und die Frucht des Glaubens in der Seele“. Das, so erklärt Origenes, seien die Dämonen, welche die Ketzerei ins Leben riefen.

Das Thema der dämonischen Eingebung durch die Häresie [50] wird hier bereichert durch ein vermittelndes Element, was durch die „Schräge“ des Fuchses gegeben ist. In der Interpretation zu Psalm 63,10, vermerkt Origenes zu „Aus der Richtung der Füchse“, (ibd. III,2,14), dass man in allegorischer Sicht jegliche abartige und täuschende Macht, die der falschen Kenntnis erlaubt hat, Fuß zu fassen, Fuchs nenne. „Aus der Richtung der Füchse“ deutet in gleicher Weise auf die Lehrer der Häresie, welche die Seele des Wahrhaftigen verführen, hin. Ihr Schicksal ist es, in die Tiefen der Ignoranz hinabzufallen. „Aus der Seite der Füchse sein“ sein bedeutet letztlich, auf der Seite der boshaften und abartigen Dämonen zu sein. Man wird bemerken, dass Origenes eine einheitliche Terminologie verwendet, um vom Fuchs, den Ketzern und den Dämonen zu sprechen.

Der Autor ergänzt sein Dossier über den Fuchs mit Zitaten von Matthäus 8,20, Lukas 13,31 und schließlich Richter 15. In diesem letzten Abschnitt stellt Origenes den falschen Meistern der Ketzerei, den Füchsen, die wahrheitsgetreuen Meister gegenüber, die von Samson symbolisiert werden. Im Spiel der Interpretation sind die 300 Füchse der Richter das Sinnbild der drei Formen von Sünde: In der Handlung, der Sprache und dem Geist.

In „Gegen Celsus“ entwickelt Origenes das Thema der verwirrten Verwurzelungen, welche die Füchse mit den Dämonen verbindet. „Die Füchse“, sagt er, „sind eine der Wohnstätten, die von den Dämonen bevorzugt werden, welche sich in den listigsten, räuberischsten und grausamsten der Tiere einnisten. Es sind die Dämonen, welche die Tiere dazu drängen, die von ihnen gewünschten Handlungen zu vollbringen“.[51]

Die Anspielung der Dämonen, die in den Tieren leben, erklärt die hellsichtige Macht unter einigen unter ihnen, die Füchse sind. Alle Tiere, wie Vögel, Schlangen oder Wölfe, hätten die Fähigkeit zu Voraussagungen. Die Dämonen haben übrigens eine viel größere Macht als nur den Einfluss, den sie auf die sanftmütigen und friedlichen Geschöpfe ausüben. Dies äußert sich Origenes zufolge kraft einer perfiden Affinität.

*

Die Terminologie, die die Begriffe von gerissen und gewunden darstellt, wurde von den Zoologen benutzt, um nicht nur die Psychologie des Fuchses, sondern auch seinen Gang zu beschreiben: Der Fuchs bewegt sich in der Tat nicht geradeaus voran, sondern seitlich. Das ist die gleiche Terminologie, die Origenes verwendet, um die gewundenen Wege des Boshaften zu beschreiben.

Das Thema wurde zu einer festen Größe in der Patristik, um die Identifizierung des Teufels mit dem Fuchs abzustützen. Dies findet auch seinen Widerhall in der Entwicklung der Bestiarien des Hochmittelalters. Wortspiele zwischen vulpes-volupes-volubilis [52] illustrieren die Gemeinsamkeiten vom Fuchs mit dem Teufel, die angeblich ein gleichartiger Gang verbinde; so heißt es in diesen Texten: „Der Teufel wird wegen der Übereinstimmung seines Ganges mit dem Fuchs gleichgesetzt. Dicitur enim vulpes quasi volupes“. „In der Tat bewegt sich der Fuchs durch Ziehen von Kreisen und kurvigen Biegungen vorwärts, genau wie der Teufel, der das Opfer einkreist und betrügt, bevor er davon Besitz ergreift. Und genau wie der Ketzer, der seine Beute durch gewundene Gedankengänge einkreist“.[53]. Die Ketzerei, so könnte man hinzufügen, ist der Orthodoxie entgegengesetzt, wie die Kurve der Linie entgegensetzt ist.

Die fortschreitenden Auslegungen der Patristiker wie Hippolyt, Irenäus und Origenes beweisen keine besondere Originalität. Sie alle reihen sich ein an diese zweifache Interpretation: Der Fuchs ist Symbol des Ketzers, der Fuchs ist der Teufel.

Die fortschreitenden Exegesen der Patristiker wie Hippolyt, Irenäus und Origenes beweisen keine besondere Originalität. Sie alle reihen sich ein an diese zweifache Interpretation: Der Fuchs ist Symbol des Ketzers, der Fuchs ist der Teufel.

Auch der Physiologus [54] hält sich gleichermaßen an die Identifizierung des Teufels mit dem Fuchs. Seine zoologische Beschreibung des Fuchses wird begleitet von einer Allegorie der gleichen Bibelstellen, wie sie schon die Väter studiert hatten.

Die Gesamtheit der Bibelstellen über den Fuchs, die von Hippolyt und Origenes verwendet wurden, findet sich erneut bei den Vätern von Kappadozien, Gregor von Nyssa und Amphilochius, bei Kyrill von Alexandria und auch bei Isidor, Cassiodorus und Alain von Lille. Anhand der Exegesen der Väter des zweiten und dritten Jahrhunderts spekulieren Euthyme Zigabène und Hrabanus Maurus noch Jahrhunderte später in analogen Ausdrücken über den Fuchs.

Die gleichen Traditionen über das Verhalten des Fuchses, dessen Befunde die Zoologen der Antike erstellt hatten, fanden durch Autoren der Patristik in deren Interpretationen der Bibelstellen ihre Fortsetzung und Untermauerung.

Im Laufe der Jahrhunderte wechselten die Ketzer ihre Namen. Später wurde nicht mehr der Gnostiker von Hippolyt und Origenes anvisiert, sondern der Manichäer oder der Arianer, oder noch viel später, der Bogomile. Dennoch blieb die Bedeutung der Worte List, Täuschung und Doppelbödigkeit dieselbe.

Der Fuchs ist nicht übrigens das einzige Tier, das die Kirchenväter benutzen, um den Ketzer zu beschreiben.

Ein ganzes Bestiarium der Ketzerei, bevölkert von boshaften Tieren, durchzieht die Jahrhunderte der Patristik bis zu dem Punkt, wo die Schematisierung der Bestiis in den Lehrbüchern des  Mittelalters ihr Ende findet.

Die Kirchenväter fanden mehrere starke Symbole, die ihnen gestatteten, das Porträt des Ketzers in mehrdeutigen Farben von List, Übertretung und  Andersartigkeit zu zeichnen, in der Zoologie.



Die wichtigsten Anmerkungen:

[2] Nehemia 3,35 (Bau der Stadtmauer von Jerusalem): Aber Tobia, der Ammoniter, neben ihm sprach: „Lass sie nur bauen; wenn Füchse hinaufzogen, die zerrissen wohl ihre steinerne Mauer.“

[4] Klagelieder 5,17-18: Darum ist auch euer Herz betrübt, und unsere Augen sind finster geworden, um des Berges Zion willen, dass er so wüst liegt, dass die Füchse darüberlaufen.

[5] Ezechiel 13,4: Oh Israel, deine Propheten sind wie die Füchse in den Wüsten!

[6] Psalm 63,10-11 (Sehnsucht nach Gott und seinem Heiligtum): Sie werden ins Schwert fallen und den Füchsen zuteil werden.

[7] Matthäus 8,20: Jesus sagt zu ihm (dem Schriftgelehrten, der ihm nachfolgen will): „Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester, aber des Menschen Sohn hat nicht, da er sein Haupt hinlege“.

[8] Lukas 13,32 (Über Herodes Antipas, der ihn angeblich töten will): Und er sprach zu ihnen: „Gehet hin und saget diesem Fuchs: ‚Siehe. ich treibe Teufel aus und mache gesund heut und morgen, und am dritten Tage werde ich ein Ende nehmen.’“

[9] Richter 15,4-5 (Rache Samsons, dem ein Philister seine Frau geraubt hatte): Und Samson ging hin und fing 300 Füchse und nahm Brände und kehrte je einen Schwanz zum andern und tat einen Brand je zwischen zwei Schwänze und zündete die Brände an mit Feuer und ließ sie unter das Korn der Philister und zündete also an die Garben samt dem stehenden Korn und Weinberge und Ölbäume.

[22] Geschichte der Tiere VIII,1, 588a: „Man findet bei den meisten Tieren Spuren psychologischer Elemente, die sich auch beim Menschen veranschlagen lassen. Da sind in der Tat die Zartheit und die Wildheit, die Leichtfertigkeit und Niederträchtigkeit, der Mut und die Feigheit, die Veranlagung zur Angst oder der Tollkühnheit, die Wünsche, der Betrug; die Intelligenzzüge, die auf das Vernunftmäßige angewandt werden, begründen Ähnlichkeiten mit dem Menschen, den man bei vielen Tieren wiederfindet.“

[23] Geschichte der Tiere I,1,488b: „Bei den Tieren zeigen sich auch die relativen Charakterunterschiede. Manche sind friedlich, unbekümmert, ohne Eigensinn, wie das Rind; andere sind dumm-feurig, eigensinnig, wie das Wildschwein; andere sind vorsichtig und schüchtern, wie der Hirsch und der Hase; andere sind wie die Schlange niederträchtig und hinterhältig; andere sind edel, mutig und großmütig wie der Löwe; andere sind wie der Wolf reißend, wild und gemein... andere sind wie der Fuchs listig und boshaft; andere gefühlvoll, sind zu Zuneigungen und Liebkosungen fähig wie der Hund; andere sind ruhig und leicht, zu zähmen, wie der Elefant; andere sind schamhaft und immer umsichtig, wie die Gans; andere sind eifersüchtig und stolz, wie der Pfau. Aber ein allein ist fähig zum Denken, dies ist der Mensch.“



Der Originaltext in französischer Sprache ist hier:




Bücher über den Fuchs:



Reineke Fuchs und die Göttin


Göttin, Fuchs und Ostern

Der Fuchs in Glaube und Mythos

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