Der Fuchs - Symbol der Häresie in der patristischen Polemik gegen die Gnostiker
Deutsche Übersetzung von: LE RENARD SYMBOLE DE L’HÉRÉSIE DANS LES POLÉMIQUES PATRISTIQUES CONTRE LES GNOSTIQUES, von Maddalena Scopello, Original aus: REVUE D’HISTOIRE et de PHILOSOPHIE RELIGIEUSES, Bd. 71, 1991/1 S. 73-88
Die Kirchenväter hatten mehrere ausdrucksstarke Symbole, die
sie benutzten, um das Porträt des Ketzers zu versinnbildlichen, wobei sie sich
auch aus ihren Kenntnissen der antiken Tierwelt bedienten.
Unter den eher als schädlich verschrieenen Tieren hat
besonders der Fuchs ihre Aufmerksamkeit erweckt. Seine physischen und
psychischen Charakteristika entsprechen besonders gut der häretischen Einstellung,
dem Verhalten des Ketzers. Danach seien List, Trug, Mehrdeutigkeit, die
angeblichen Züge des Fuchses, in ketzerischer Weise gegen die Großkirche
gerichtet.
Im Rahmen ihrer Reden gegen die Häretiker findet bei den
Kirchenvätern vor allem die Figur des Fuchses Verwendung.
Von Irenäus, Hippolyt und Origenes bis hin zu Gregor von
Nyssa, Cassiodor und Rabart Maur stellt der Fuchs in der Exegese das beständige
Objekt der Ketzerei dar: Er versinnbildlicht den Ketzer und die Folgen der
Ketzerei.
Die biblischen Quellen
Die Aufmerksamkeit, welche die Väter dem Fuchs
entgegenbringen, findet ihren Ansatzpunkt in den einigen Bibelstellen, in denen
von ihm die Rede ist. Sie sind nicht zahlreich. Hinsichtlich des ATs erscheint
der Fuchs in Richter 15 [1], der Episode von Samson, der Füchse einfängt und
diese mit brennenden Fackeln an der Rute durch die Felder der Philister jagt,
um solcherart die Felder des Feindes niederzubrennen.
Vom Fuchs ist in vergleichbarer Weise die Rede in Nehemia
3,35 [2] wo Tobias der Ammoniter sagt, dass ein Fuchs dazu fähig sein würde,
die Mauern von Jerusalem umzuwerfen. Im Hohelied 2,15 spricht die Geliebte:
„Fanget uns die Füchse, die kleinen Füchse, welche die Weinberge verwüsten,
denn unsere Weinreben stehen in Blüte“ [3]. In den Klageliedern 18 führt der
Prophet im Sinnbild den Berg Zion an, der verwüstet und von Füchsen bevölkert
ist.[4] Ezechiel vergleicht in seiner Beschimpfung der falschen Propheten (Ez
13,4) diese zuletzt mit Füchsen, welche aus Orten der Verwüstung Heimsuchung
bringen.[5] Schließlich kommen Füchse noch in Psalm 63,10-11 vor, dem Psalm von
David in der Wüste von Juda, wo Diejenigen, die auf der Suche nach Gott den
Verlust der Seele riskieren, von der Seite her und aus den Tiefen der Erde von
den Füchsen angegriffen werden.[6]
Hinsichtlich des Neuen Testamentes erwähnt Jesus die Füchse,
die Höhlen haben, im Unterschied zu dem Menschensohn, der nichts hat, wo er
sein Haupt hinlegen könne (Mt 8,20 und Lk 9,58) [7]. In Lk 13,32 vergleicht
Jesus, als er von der Feindseligkeit des Königs Herodes (Antipas) erfährt,
diesen mit einem Fuchs [8].
Diese wenigen Bibelstellen definieren sofort den
Aktionsradius des Fuchses: Er bewegt sich an einsamen Orten: In Wüsten, wilden
Gebirgslandschaften und Geröllhalden. Der Fuchs ist ein nachtaktives Tier, das
nachts am Waldesrand jagt; er wohnt tief in der Erde, in meist unterirdisch
gelegenen Höhlen, hat also eher wenig übliche Behausungen. Als
einzelgängerisches Tier sucht der Fuchs dennoch seine Nahrung woanders: Die
bestellten Felder und die Weinberge stellen sein bevorzugtes Jagdrevier dar.
Das Handlungsfeld des Fuchses ist also von zweifacher Natur: Er bewegt sich
auch von einem geschlossenen und unterirdischen Raum (Höhle) in einen anderen
geschlossenen Raum, der aber unter freiem Himmel liegt und von Menschenhand
gestaltet ist - das Feld und die Weinberge. Zwei Arten von Gegensätzlichkeiten
schälen sich derart heraus: Das Grenzenlose und das Abgegrenzte, das Wilde und
das Kultivierte. Es ist das Charakteristische des Fuchses, vom einen zum
anderen überzugehen. Er ist der Herr der wilden Plätze, er bringt ein Element
von Chaos und Zerstörung in geschützte Räume. Seine Verwurzelung mit der
Unordnung und in der Folge davon auch der Zerstörung stellen eine der am
bestbekundetsten Charakterzüge des Fuchses dar. Davon kündet das Hohelied 2,15:
Die Absicht der Füchse, in die Weinberge einzudringen, ist in diesem Fall nicht
unbedingt die, dort Nahrung zu finden, da die Weinrebe ja zu diesem Zeitpunkt
noch in Blüte steht, sondern Unordnung zu säen, um sie zu zerstören.
Ein anderer Zug, der den Fuchs in diesen biblischen Texten
charakterisiert, ist die List. Wenn Jesus Herodes einen Fuchs nennt, zielt er
damit ab auf seinen durchtriebenen und listigen Verstand. Die bezeichnendste
Episode in dieser Hinsicht jedoch ist diejenige, die im Buch der Richter
erzählt wird. In der Geschichte von Samson und den Füchsen, die wie ein nicht
genau definierter Schlüssel zum Themenkomplex List und Gewundenheit ist,
benutzt der Erzähler in gewisser Weise die füchsische List, um dem Feind die
Zerstörung zu bringen. Um diese zu erreichen, verwendet er das gleiche Symbol
der List - den Fuchs: „Er lässt die Tiere in die reifen Weizenfelder der
Philister laufen und verbrennt dadurch die ganzen Garben der Ernte bis auf den
Grund, ebenso die Weinreben und Olivenbäume.“ Durch die Hand Samsons fungiert
der Fuchs somit symbolisch als Angriffswaffe auf die drei Stützen, welche die
mediterrane Zivilisation versinnbildlichen: Der Weizen, die Weinrebe, den
Olivenbaum. [Anm.
d. Üb.: Deutet man die Geschichte unter dem Motto „mit den eigenen Waffen
besiegt“, muss der Fuchs im Umkehrschluss ein bedeutendes Tier der Philister
gewesen sein!]. Das Nachspiel davon
verdient ebenfalls Erwähnung. Nach seiner Tat flüchtet sich Samson in eine
Felsenhöhle:[9] Er handelt somit nach Art des Fuchses, der nach jedem Raubzug
in seine Höhle zurückkehrt. In diesem Spiel der Identifikationen macht sich
Samson quasi selbst zum Fuchs, indem er dessen Art und List assimiliert.
Die jüdischen Quellen
Die erwähnten Bibelstellen legen einige Aspekte des Fuchses
dar, die gleichzeitig auf zoologischen Fakten und jüdischer Folklore beruhen.
Vergleichbares ist uns auch aus dem Talmud und dem Mithras-Kult bekannt.[10]
Die Sagen vom Fuchs waren zahlreich: Sanhedrin 38b erwähnt 300 Parabeln, die
Rabbi Meir über das Thema verfasst haben soll. Der Fuchs zeichnet sich
gegenüber anderen Tieren durch seine Intelligenz und Weisheit aus: Einer im
Judentum sehr bekannten Sage zufolge wünscht sich der Leviathan diese Qualitäten
anzueignen, indem er das Herz des Fuchses verschlingen zu beabsichtigt (was ihm
natürlich nicht gelingt).[11]
Bei Gefahr weiß der Fuchs seine Begabung von klarer
Intelligenz in List und überlegte Schläue umzuwandeln. Als er sich dem
Todesengel gegenübersieht, verlangt dieser, dass von jeder auf dem Land
anwesenden Tierart ein Paar ertränkt werde. Doch der Fuchs findet einen Weg,
diesem schrecklichen Ende zu entkommen: Er überzeugt tatsächlich den Engel,
dass das Bild, das im Wasser als schlichte Spiegelung des Fuchses zu erkennen
ist, in Wahrheit ein Fuchs aus Haut und in Knochen sei, den man bereits den
Fluten übergeben habe.
Das Beachtenswerte dieser Sage ist die Darstellung vom Spiel
der Erscheinungen, in deren Erkennen sich der Fuchs als Meister erweist. Es ist
im wahrsten Sinne des Wortes die „Vorspiegelung falscher Tatsachen“, die der
Fuchs zwar nicht direkt herbeiführt, wohl aber durch seine geistige Klarheit
auch eine andere Realität zu erkennen vermag, die den Gegner irreführt und dem
schwächeren Fuchs die Macht verleiht, ihn zu besiegen.
Das Thema, das die engen Konturen dieser Sage überschreitet,
findet sich in zahlreichen Erzählungen vom Fuchs wieder und erlaubt Figuren und
Charakteren, die dem doppelten Weltall des vorgespiegelten Aussehens angehören,
ihre symbolische Identifikation.
Die jüdischen Texte heben beim Fuchs einige physischen Züge
hervor, die jenseits ihrer unmittelbaren Bedeutung von einem symbolischen
Inhalt geprägt sind.
Vom Fuchs heben die jüdischen Texte einige physischen Züge
hervor, die jenseits ihrer unmittelbaren Bedeutung von einem symbolischen
Inhalt geprägt sind.
Eine Eigentümlichkeit betreffend seiner Nahrungsbeschaffung
charakterisiert den Fuchs: Er frisst für sein Leben gern Weintrauben.[13] Diese
Tatsache, die schon das Hohelied 2,15 erahnen lässt, ist auch Gegenstand eines
Kommentars im Mithras Rabbah des Ekklesiastes (Prediger) V,14 [14]. In
Paragraph 1 der Auslegung dieses Verses „war er ganz nackt und wird sich
davonschleichen, wie er gekommen ist“, dabei wird eine Erzählung von Genibah
zitiert: „Es ist wie beim Fuchs, der einen ganz von Mauern umzäunten Weinberg
fand. Es gab nur eine Öffnung, durch die er hätte hineingelangen können, doch
sie war zu eng für ihn. Was tat er darauf? Er fastete drei Tage lang, bis er
immer magerer wurde und schließlich ganz abgemagert war, sodass er am Ende
durch das Loch passte und hineinkam. Einmal darinnen, stellte er sich auf die
Hinterläufe, um an die hoch gewachsenen Trauben zu kommen und sie zu
verschlingen; solcherart wurde er dann allerdings wieder so dick, dass er, als
er aus dem Weinberg wieder hinaus ins Freie wollte, ihm das angesichts der
schmalen Öffnung natürlich nicht gelingen konnte. Er fastete dann erneut drei
Tage lang, um wieder ganz mager zu werden, bis er auf diese Art hinauskam.
‚Weinberg, oh Weinberg, die Früchte in dir sind so gut! Alles in dir ist so
schön, so würdig und so lobenswert, doch welche Freude kann man auf Dauer an
dir haben? Wie man in dich eintritt, so tritt man auch heraus: So gehe in die Welt!’“
Der symbolische Wert dieser
Erzählung existiert in der Spannung, die der Fuchs durch sein Ein- und
Austreten des von der Weinrebe dargestellten hortus clausus auslöst. Als
besonders dynamisches Tier verwirklicht sich der Fuchs in der Veränderung und
nicht in der Dauer. Dies findet in den sukzessiven Wandlungen, die er seinem
Körper derart aufbürdet, dass sich dadurch die Morphologie verändert, seinen
sichtbaren Ausdruck. Daraus ergibt sich, dass die typische äußere Erscheinung
des Fuchses, wie wir sie kennen, eine vorübergehende und veränderliche ist:
Irreführend und nach Art ihres Geistes wie eine Stromschnelle. [Anm. d. Üb.:
Hierbei ist interessant, dass bei den Dogon „ogu“ bzw. „Ogo“ - der Name des
Fuchses, bevor er in den Fuchs Yurugu umgewandelt wurde, soviel wie
„Stromschnelle bedeutet!].
Eine andere Eigentümlichkeit des Fuchses ist, anstatt sich
eine neue Höhle zu bauen, sich in der Höhle von anderen niederzulassen,
manchmal in verlassenen, manchmal nach Verjagung der Besitzer.[15] Dieses Detail
der zoologischen Ordnung wird im Talmud beschrieben; es unterstreicht den
doppelsinnigen und kaum fassbaren Aspekt des Fuchses.[16] Die Eigenschaft, den
Wohnsitz von einem anderem zu übernehmen, zielt darauf ab, Chaos und Störung in
der Tierwelt zu säen und zeugt vom rastlosen Wesen des fliehenden Fuchses, das
es so schwer macht, ihn zu umzingeln. Die in dem Detail der Höhle erkennbare
Verlagerung, die sich zwischen ihm selbst und dem anderen vollzieht, wird noch
mehr betont in den griechischen Quellen, welche das Verstellen des Fuchses
erwähnen, die er anwendet, um seine Ziele zu erreichen.[17] [Anm. d. Üb.:
Neben dem Totstellen natürlich die Verkleidung als Priester, in Fernost als
Verführerfüchsin usw.!]
In diesem Sinne vermerkt auch der Talmud den neugierigen
Gang des Fuchses, der seitwärts gerichtet ist: „In seiner Flucht läuft er nicht
gerade aus, sondern macht Sprünge nach links und nach rechts.“[18] In diesem
Sinne vermerkt auch der Talmud den neugierigen Gang des Fuchses, der seitwärts
gerichtet ist: „In seiner Flucht läuft er nicht gerade aus, sondern macht
Sprünge nach links und nach rechts.[18] Diese Eigentümlichkeit wird oft von den
griechischen Zoologen festgestellt, und sie wird wie der physische Ausdruck von
der Psychologie des Fuchses her interpretiert. Darauf wird noch zurückzukommen
sein.
Die klassischen Quellen
Wenn man sich den klassischen Quellen zuwendet, findet man
dort reiche Materialien über den Fuchs, sowohl bei den Zoologen als auch bei
den Fabeldichtern.
Im jüdischen Milieu erschien der Fuchs wie ein Tier der
Außenwelt. Bei den Griechen verdienen verschiedene Verbindungen des Fuchses mit
der ruhigen Luft sowie auch den entfesselten und wilden Elementen wie Eis und
Feuer hervorgehoben zu werden.
Plinius der Ältere [19] führt eine thrakische Sitte
betreffend den Fuchs auf die Bezugnahme der Orakel zu Tieren und Naturwundern
zurück: „In den eiskalten Regionen Thrakiens deutet man das Orakel, das vom
Fuchs gegeben wird, hinsichtlich seiner Schläue, selbst wenn es schlechte Omen
sind. Die Einwohner überqueren die gefrorenen Flüsse und Seen so lange nicht,
bis sie ihn dort sehen, wie er es riskiert. Viele haben beobachtet, wie er sein
Ohr auf das Eis lege, um dadurch seine Tragfähigkeit zu erahnen.“ Auch Elien
kennt diese Fähigkeit des Fuchses, die Stärke des Eises zu testen.[20]
Eine Verbindung zwischen dem Fuchs und dem Feuer, das
Kulturen vernichtet, ist in einer Episode, die bei Ovid [21] wiedergegeben wird
(unter Berufung auf Richter 15) beglaubigt. Wir finden dort die Erzählung von
einer diebischen Füchsin, die von einem Bauern erwischt wird, welcher sie in
Stroh einwickelt und dann in Brand setzt. Das in Panik geratene Tier jedoch
rettet sich in die Felder und entzündet solcherart einen Brand, der die Ernte
vernichtet. Von dieser Episode her erklärt Ovid ein Gesetz in der Region
Carseoli, welches verbietet, den Fuchs beim Namen zu nennen. Um darüber hinaus
diese Tierart noch zusätzlich zu strafen, wurde beim Ceres-Fest jedes Jahr ein
Fuchs verbrannt, damit er auf die gleiche Art untergehe, wie die Ernte, an die
sein Artgenosse einst das Feuer gelegt hatte. Die verschiedenen Aspekte des
Fuchses, die in den jüdischen Quellen hervorgehoben werden, finden ihren
allgemeinen Nenner in der listigen Intelligenz, die das Verhalten dieses Tieres
ebenso steuerte wie seine Angewohnheiten. Wir treffen dieses gleiche Band
zwischen dem Fuchs und der List auch in den griechischen Quellen wieder an, und
zwar verstärkt. Sehr von der Überzeugung geprägt, dass bei den meisten Tieren
Spuren von psychologischen Elementen des Menschen vorhanden seien,[22] stellt
Aristoteles eine Klassifizierung der Charaktere der verschiedenen Arten auf und
kennzeichnet dabei den Fuchs als Stellvertreter der listigen und boshaften
Tiere.[23]
Bei den Griechen ist die List ein besonderer Typus der
Intelligenz, den man Hybrid nennt.
M. Détienne und J.-P. Vernant haben dem Hybriden ein
bemerkenswertes Buch gewidmet: „Die Listen der Intelligenz“.[24] Der Hybrid, so
erklären sie, ist ein Intelligenztypus, der an der Praxis orientiert ist und
Widerständen trotzt, mit denen man in schlauer Weise umgehen muss, um in den
verschiedensten Bereichen seines Wirkens Erfolg zu haben. Konkret heißt das zum
Beispiel: Der Mischling enthält „insgesamt konträre Denkformen, die Spürsinn
mit Scharfsinn und geistige Beweglichkeit oder Sanftheit mit Verstellung und
Täuschung kombinieren. Er widmet sich flüchtigen, sich bewegenden,
verwirrenden, mehrdeutigen Wirklichkeiten“.[25] Als Teil dieser Arbeit enthält
der Band auch einen Aufsatz über den Fuchs.[26]
Im Bereich des Hybriden zeigen die Autoren den Symbolgehalt
des Fuchs mit listiger Intelligenz auf, dort, wo der Betrug und die Falle
herrschen: Eine mehrdeutige Welt aus Doppelzüngigkeit und Schlauheit. Für das
griechische Denken hat der Fuchs einen Modellcharakter unter allen Tieren, der
ihn vom Hybriden unterscheidet: Er verkörpert die List in der Tierwelt. Sein
ganzer Lebenswandel ist gekennzeichnet von Falle und Betrug, von Verstellung
und vorgespiegeltem Aussehen. Polymorph und durchtrieben, ist der Fuchs Meister
der Situationen, in denen es durch List erreicht wird, die Kräfteverhältnisse
zugunsten des Schwächeren zu ändern. Die Fuchshöhle [27] ist übrigens in ihrem
Erscheinungsbild äußerst irreführend, mit mehreren Eingängen und Tunneln, die
ihm ermöglichen, den Fallen der Jäger zu entgehen. In ihr schmiedet er seine
Pläne. In seiner Art, die Beute zu erwischen, wird der heuchlerische Fuchs
ebenfalls von der List getrieben: Er stellt sich tot, um in dem Moment wieder
lebendig zu sein, wenn es gilt, das Opfer zu fangen. Bei seinen Techniken der
Verstellung und Nachahmung wälzt er sich in der Erde, um die Farben [28] des
Todes und der Verwesung anzunehmen, dann schnellt er urplötzlich, sich dabei
gleichzeitig drehend, hoch, um die Beute [29] zu überraschen, was ihm oft den
Sieg über die meisten anderen Tierarten bringt. Als Inkarnation der List
spiegelt der Fuchs durchtriebene Intelligenz, die ihm angehört, in seinem
Verhalten wider.
Den Hybriden charakterisiert eine Art fortwährendes
Schaukelspiel - ein Wechsel zwischen zwei Gegenpolen.[30] Diese Bemerkung von
Detienne und Vernant kann sich auf die zuvor besagten Episoden vom Fuchs und
seinen Höhlengängen beziehen (oder um von zwischen geschlossenen und offenen
Räumen hin- und her zu wechseln).
M. Détienne und J.-P. Vernant beobachten, dass der Hybrid
von einem semantischen Feld umgeben ist, [wie im Hellenismus üblich],[31] und
das dies auf der Ebene des Wortes ebenso Gültigkeit hat wie bei Bildern und
Gebrauchsgegenständen.
Selbst ein Vokabular, das durch die Jahrhunderte hindurch
keinen Veränderungen unterworfen ist, unterstreicht die geistigen und
körperlichen Haltungen des Fuchses. Ausdrücke wie aimulos, panourgos, poikilos
bezeichnen sein Wesen näher, doloi oder apatai weisen auf seine Handlungen hin.
Der Hybrid und eines seiner Symbole, der Fuchs, kommt im
griechischen Denken vor bei Äsop, Homer, Aristoteles und Ovid und wurde von den
Kirchenvätern in oberflächlicher Weise behandelt, die sich sein Image
aneigneten, um ein Thema zu erörtern, das ihnen auf der Seele brannte: Das des
Ketzers und der Ketzerei. Was könnten sie Besseres gefunden haben als das
reiche semantische Feld der List, um das Bild des Ketzers negativ darzustellen?
Im Symbol des Fuchses entdeckten sie ein weites Feld, um das
Verhalten, die Tätigkeiten und die Methoden des Ketzers gegenüber der Kirche,
ihrer Anhänger und der Schrift zu beschreiben.
Im Symbol des Fuchses entdeckten sie ein weites Feld, um das
Verhalten, die Tätigkeiten und die Methoden des Ketzers gegenüber der Kirche,
ihrer Anhänger und der Schrift zu beschreiben. In Letzterer fanden sie auch den
Stoff, um ihre Polemik gegen die Ketzerei zu stützen. Die biblischen Episoden
vom Fuchs werden von den Vätern so interpretiert, dass sie die
Meinungsverschiedenheiten illustrieren, welche die Welt seitens der Ketzerei
und dessen angeblichem Mangel an Treue zur Wahrheitsliebe durchlaufen.
Besonders im zweiten und dritten Jahrhundert findet man die
nachfolgend zu prüfenden Autoren, welche in ihrer Polemik die Ketzer in Gestalt
der Gnostiker anvisieren.
Hippolyt von Rom: Der Fuchs oder die Gefahr der gnostischen Häresie
Hier geht es vor allem um den Fuchs in seinem Kommentar zum
Hohenlied. Diese Abhandlung ist vor allem in georgischer Sprache erhalten.[33]
Eine gekürzte Paraphrase dieses Kommentars auf Griechisch wurde von M. Richard
herausgegeben.[34] In der georgischen Version, Kap. 20,1-4, kommentiert
Hippolyt kommentiert Hld 2,15:
„Oh selige Stimme der Wahrheit in Wahrheit verkündigend,
durch welche die Häresien überführt wie Füchse in die Enge getrieben werden!
Haltet uns die kleinen Füchse, welche die Weinberge verderben.“: Wie sie noch
klein sind, haltet sie, damit sie nicht herangewachsen mit ihrer Bosheit
anfüllen den Weinberg. Was er beratend sagt: „Haltet uns die kleinen Füchse“
sagt nichts anderes als: Nehmt hinweg von uns die Häresien, damit rein „der
Teig“ erscheine.
„Haltet uns die Füchse“ bedeutet also, dass man sie fangen
soll, bevor sie erwachsen sind, damit sie die ‚Weinreben ihres Betrugs’
(dolositas) nicht füllen können.“ Und sehr direkt fügt er hinzu: „‚Haltet uns
die kleinen Füchse’ will sagen, dass man die Ketzerei unter [den Gläubigen]
eliminieren soll, bevor sie in ihrer Ganzheit durchbricht.[34]. Deshalb nennt
man die Ketzer ‚Füchse’“:
Der Häresiologe knüpft in seinem Kommentar an andere
Bibelstellen an, in denen vom Fuchs die Rede ist.
„Wolle du sehen, oh Mensch, dass als Füchse nach Wahrheit
er die Häretiker zeigt. Denn die ‚falschen Propheten’ sind nichts anderes als
die Häretiker, es sind die falsch (fallacia) lehrenden und Lüge (mendacium)
predigenden Häretiker. Denn Jeremias ruft sprechend: ‚Siehe, deine Propheten,
oh Jerusalem, wie Füchse jagend [in ihren Höhlen].“
Das Zitat, das Hippolyt Jeremia zuteilt, ist in Wahrheit
eine Nachahmung von Ezechiel 13,4 (wo die falschen Propheten an Füchsen
gemessen waren), und von Klagelieder 5,18 (die unterirdischen Höhlen der
Füchse). Der Autor erweitert seine Arbeit über den Fuchs, indem er das Wort
Jesu gegen Herodes zitiert:
„Es erwidert Christus zu Herodes: ‚Saget jenem Fuchs:
Siehe noch heute, morgen vollbringe ich Wundertaten, und am dritten Tage werde
ich verherrlicht werden.’“
und erst danach
gelangt er zu der Stelle aus dem Buch der Richter, wo es um Samson und die 300
Füchse geht. Er deutet diese mysteriöse Episode wie folgt:
„Was aber ist auch wieder Samson für ein neues Wunder der
Geheimnisse in Betreff der Füchse vollendend. Als sein Weib geraubt wurde,
‚ergriff er 300 Füchse’ und, ‚die Schwänze aneinander’ gebunden habend, band er
Fackeln an, und nachem er sie angezündet, ‚sandte er sie fort’; und alle
seienden Weinberge verbrannte er. Ein Zeichen aber es derer, welche das letzte
Feuer verbrennt. Dies zeigt, wie die Häresien waren. Das Binden aber von
Schwanz an Schwanz, damit er ihre Gesetzlosigkeit überführe. Aber die
brennenden Fackeln an den Schwänzen das Feuer flammend ihnen im letzten
Gericht.“
Nach diesem Umweg über die Propheten und Richter kommt
Hippolyt wieder zurück zum Hohenlied:
„Was bedeuten die Weinreben? Sie bedeuten den Weinberg, die
neue Pflanzung, und dass die Füchse, die Ketzer, diese versuchen zu
untergraben, zu verwüsten und zu verderben, auf dass die reife Weintraube nicht
von Christus geerntet werden könne.“
Im Vergleich zum georgischen Text ist die griechische
Paraphrase des Hohenliedes geraffter. Zudem spricht der georgische Text von
Ketzern, der griechische von Ketzereien. Der Kommentar über die Episode von
Samson hat eine zeitgenössische Betonung bei Hippolyt betreffend die Jagd auf
die Ketzer: „Die symbolische Bedeutung der Füchse ist, dass sie die Ketzereien
andeuten, indem sie beginnen, den Kopf zu heben. Die Tatsache, dass die Füchse
Schwanz an Schwanz gebunden sind, zeigt, dass die Ketzereien ungleiche Elemente
enthalten und sich widersprechen.
Meinungsverschiedenheiten, Ungleichheiten, Widerreden.
Betrug, Fehler, Lüge: Dieses schiefe Bild des Fuchses ließ einige größere
Kontroversen und Meinungsstreitigkeiten entstehen.[36]
Die Häresie, die Hippolyt hier anvisiert, ist die Gnostik.
Die Kontroversen, typisch für die Werke der Widerlegung und Polemik der Väter
gegen die Gnostiker, [37] verblassten in diesem Kommentar von Hippolyt
gegenüber anderen Werken literarischer Art über das Hohelied. Dies zeigt, dass
das Problem der gnostischen Ketzerei eine dauerhafte Sorge für die Kirchenväter
darstellt.
Irenäus: Der Fuchs oder die gnostische Verfälschung der Schrift
Der Häresiologe baut das erste Buch seines Werkes „Gegen die
Häresien“ [38] um eine Allegorie des Fuchses, die ihm gestattet, eines der
Probleme zu behandeln, das ihm in seinem Kampf gegen die Gnostiker am meisten
am Herzen liegt: das von der Verfälschung der Schrift.
Die Absicht von Irenäus’ Werk ist in der Tat nicht nur, die
gnostischen Systeme zu widerlegen, sondern auch die wahrhaftige Auslegung der
Schrift, die im Schoß der Kirche gründen muss, in Übereinstimmung mit der
Wahrheit des Buchstabens und der Nachfolge der apostolischen Tradition,
außerhalb der sich die Gnostiker finden, wiederherzustellen. Da die Letzteren
die Rechtmäßigkeit von der Aufeinanderfolge der Apostel ablehnen, haben sie,
dem Bischof von Lyon zufolge, nicht das Recht, sich der Exegese der Schrift zu
widmen, was sie aber dennoch in der Absicht tun, die Neubekehrten von der
christlichen Kultur wegzulocken.
In dieser Atmosphäre von Betrug und Verfälschung führt
Irenäus einen Vergleich mit dem Fuchs ein:
„Das ist so, wie wenn man das schöne (Mosaik-)Bild eines
Königs vor sich hat, von einem tüchtigen Künstler sorgfältig aus wertvollen
Steinchen ausgeführt, und es kommt einer, der die Umrisse der Menschengestalt
zerstört und die Steinchen durcheinander wirft und umändert und die Gestalt von
einem Hund oder Fuchs daraus macht, noch dazu in schlechter Ausführung, und
dann erklärt und behauptet, das sei das besagte schöne Bild des Königs, das der
tüchtige Künstler ausgeführt hat, und dazu auf die Steinchen zeigt, die von dem
ersten Künstler gekonnt zum Bild des Königs zusammengesetzt gewesen waren, vom
zweiten aber in übler Weise zur Hundsgestalt durcheinandergeworfen wurden. Und
mit seinem Gebilde von Steinchen betrügt er die weniger Erfahrenen, die keinen
Begriff von einer königlichen Gestalt haben, und redet ihnen ein, die stinkende
Figur des Fuchses sei das schöne Bild des Königs. Genau so machen sie es: Sie
schustern Altweibermärchen („Mythen“: vgl. 1 Tim 4,7) zusammen und reißen dann
von überall her Texte, Sätze und Parabeln an sich und wollen ihren Geschichten
die Worte Gottes anpassen.“ (Iren., Gegen die Häresien 1,8,1).
Der König, unanfechtbares Symbol der Wahrheitsregel, wird
solcherart dem Fuchs, dem schwindlerischen Symbol des ketzerischen Betruges
entgegengestellt. Irenäus will damit aussagen, dass diejenigen, die nicht in
der Wissenschaft der Auslegung der Schrift bewandert sind, eine leichte Beute
des ketzerischen Fuchses werden. Die Geschicklichkeit der gnostischen Meister
liegt seiner Ansicht nach darin, Texte und vereinzelte Namen zu erwähnen, die
sie dann nicht ihrer natürlichen Bedeutung nach auslegen, sondern eine
Bedeutung angedeihen lassen, die befremdlich ist. Er kritisiert sie dann in
polemisierender Weise:
„Denn nachdem sie sich ihre eigentümliche Grundidee
gebildet haben, sammeln sie Ausdrücke und Namen, wie sie verstreut vorkommen,
und ersetzen, wie gesagt, deren eigentliche Bedeutung durch einen fremden Sinn.
Sie tun dabei dasselbe wie Leute, die sich ganz beliebige Ideen vornehmen, die
sie dann mit Hilfe von Homer-Versen zu bearbeiten versuchen; wer sich weniger
auskennt, kann dann meinen, dass Homer die Verse auf das Thema gedichtet hat,
das da aus dem Stegreif behandelt wird. Und viele werden durch die geordnete
Versfolge zu der Meinung hingerissen, dass das am Ende tatsächlich von Homer so
gedichtet worden ist. So hat es beispielsweise einer gemacht, der in
homerischen Versen schrieb, wie Herakles im Auftrag des Eurystheus den
Höllenhund holen sollte. Es steht gar nichts dagegen, des Beispiels wegen das
zu erwähnen, da es sich hier und da um dasselbe Verfahren handelt.“
...
Jeder arglose Mensch wird von solchen Versen hingerissen
und glaubt, dass Homer sie in dieser Form auf das gestellte Thema gedichtet
hat. Dem Homer-Experten sind dagegen zwar die (einzelnen) Verse geläufig, aber
nicht die Thematik, weil er weiß, dass der eine Text von Odysseus redet, der
andere eben von Herakles, der nächste von Priamos, von Menelaos und Agamemnon.
Wenn er sie auseinander nimmt und jeden Vers wieder an seinen richtigen Platz
stellt, ist das ganze Unternehmen erledigt. Ganz genauso geht es dem, der am
Kanon (der Regel) der Wahrheit` unbeugsam festhält, den er durch die Taufe
bekommen hat; ihm sind die biblischen Namen, Ausdrücke und Parabeln geläufig,
die blasphemische Thematik dieser Leute aber nicht. Die (Mosaik-)Steinchen sind
ihm zwar vertraut, er lässt aber den Fuchs nicht als das Bild des Königs
gelten. Er stellt jedes Wort wieder an seinen richtigen Platz, passt es in den
Leib der Wahrheit ein und stellt so ihre Erfindung bloß und beweist, dass sie
unhaltbar ist.“ (ibd. I,9,4)
Irenäus hat genug Vertrauen in die kirchliche Lehre, um mit
den Drohungen gegen die Ketzerei Front zu machen. Die Absicht seines Werkes
ist, um sie zu bekämpfen und sie an die christlichen Messer liefern zu können,
die gnostischen Systeme zu studieren und zu beschreiben. Das ist es, was er in
einer Übersicht zu seinem ersten Buch der Widerlegungen ankündigt, dort wo das
Bild des Fuchses den Leib der ketzerischen Doktrin versinnbildlicht, den man an
abtöten müsse, damit die Kirche bestehen bleibe:
„Deshalb habe ich den Versuch gemacht, das ganze schlecht
zusammengesetzte Körperchen dieses Füchsleins ans Licht zu ziehen und
öffentlich auszustellen. Nachdem ihre Lehre allen öffentlich bekannt gemacht
ist, braucht es nicht mehr viele Worte, um sie zu widerlegen. Das ist, wie wenn
ein wildes Tier im Wald verborgen haust und von da angreift und viele Menschen
umbringt. Wer den Wald aushaut und lichtet, so dass man das wilde Tier nun
sehen kann, der gibt sich keine Mühe mehr, es einzufangen, da ja ohnehin jeder
sieht, dass die Bestie eine Bestie ist, denn man kann die mörderische Bestie
jetzt ja sehen und sich vor ihren Angriffen hüten, von allen Seiten auf sie
schießen und sie verletzen und töten. Genauso ist es in unserem Fall: Wenn wir
ihre verborgenen und von ihnen mit Schweigen umgebenen Mysterien an die
Öffentlichkeit gebracht haben, ist es nicht mehr notwendig, mit vielen Beweisen
ihre Lehre umzustoßen. Denn es steht dir und allen, die bei dir sind, jetzt
frei, sich mit dem Gesagten zu beschäftigen, ihre wertlosen und plumpen Lehren
zu stürzen und zu zeigen, dass sie nicht mit der Wahrheit übereinstimmen.
Trotzdem will ich, wie versprochen, nach Kräften die
Widerlegung dieser Leute vortragen, indem ich ihnen allen im nächsten Buch
widerspreche - meine Erklärung zieht sich also, wie du siehst, in die Länge -;
auch Mittel für den Weg zu ihrer Widerlegung will ich mitgeben, indem ich ihnen
der Reihenfolge nach, in der wir darüber gesprochen haben, in allen Punkten
entgegentrete. Wir wollen die Bestie ja nicht nur vorzeigen, sondern sie auch
von allen Seiten verwunden.“ (ibd. I,31,4)
Origenes: Der Fuchs oder der Kunstgriff der ketzerischen Rede
Ganz wie Hippolyt verbindet Origenes den Fuchs mit der
ketzerischen Rede. Er befasst sich damit in seiner Homilie zu Ezechiel,[39] im
Kommentar zum Hohenlied [40] und in der Homilie zu Numeri [41] Texte, die er
dank der lateinischen Übersetzung von Rufinus kannte. Eine Erwähnung über den
Fuchs wird auch in der Schrift „Gegen Celsus“ [42] gemacht und in einem Auszug
des Kommentares zu Matthäus, die in Griechisch erhalten ist.[43]
Die Überlegungen, zu denen Origenes über den Fuchs anregt,
haben ihren Ausgangspunkt in den wenigen Bibelstellen, die bereits von Hippolyt
angeführt wurden. Da andere Kirchenväter dieselben Stellen verwendeten, scheint
es fast so, dass die betreffenden Ansichten, die bei den Kirchenvätern
kursierten, absichtlich Verbreitung fanden.
In der Ezechiel-Homilie, Vers 11,4-5 44, deutet Origenes die
Füchse im Satz „Israel, deine Propheten sind wie Füchse in den Wüsten“ als
ketzerische „Meister der Fehler“ (falsi magistri). Und er sagt „Der Fuchs ist
ein boshaftes Tier (nequam), voll von Kunstgriffen (versutum), unbezähmbar,
[lüstern] und grausam (ferum)“.
Die Stelle bei Ezechiel, das Zitat von Lukas über Herodes,
den Fuchs, sowie die Passage im Buch der Richter, wo von Samson die Rede ist,
kommentiert Origenes folgendermaßen: "Die Meister des Fehlers sind von
dieser Art: Voll von Kunstgriffen (versuti), abartig (maligni), in allem diesen
Tieren gleich. Wenn ich also derart bin“, so fährt er fort, an die
Ausdrucksweise bei Ezechiel anknüpfend: „bin ich den Füchsen gleich. Den
Füchsen in den Wüsten, den Füchsen in den Ruinen, den Füchsen auf den
Weinbergen - je nachdem welche Übersetzung der Bibel man verwendet.[45] Diese
Tiere sind voll der Schlauheit (versipelles) und der Boshaftigkeit (nequam).
Sie wohnen stets in der Wüste und an abgelegenen Orten. Wo jedoch die mit
heiligem Geist erfüllte Seele von Gott bewohnt ist, können die Lehren der
Ketzer nicht eindringen, kann sich ihre Rede keinen Weg bahnen. Dort hingegen,
wo der Gesalbte abwesend ist, und wo es Gerechtigkeit nicht gibt, sondert die
unheilvollen Lehre (nequissimae) der Ketzer ihr Gift ab. Deshalb hat Ezechiel
gesagt: ‚Deine Propheten sind wie Füchse'".
Zwischen dem Fuchs und dem Ketzer vollzieht sich hier die
ganze Terminologie hindurch eine fortwährende Bedeutungsverschiebung, die auf
zwei Stützen fußt. In diesem Zusammenhang verdienen zwei Ausdrücke eine
besondere Aufmerksamkeit: versutus und versipellis. Versutus ist der, der die
List mit versutia,[46] dem Kunstgriff versieht. Versutus ist auch der, der
weiß, wie man sich windet, der immer Auswege findet, und der von flinkem Geist
ist.[47] Infolgedessen zeigt uns versutus das auf, was dazu geeignet ist, sich
dem Gegner zu entziehen. Dieser Ausdruck erinnert an eine der typischsten
Verhaltensweisen des Fuchses, wie er von den griechischen und lateinischen
Zoologen festgehalten wurde: Seine Kehrtwendung. Der Fuchs dreht sich in der
Tat abrupt um sich selbst, um die Beute besser packen zu können. Solcherart ist
auch die Haltung des Ketzers, die sich unter harmloser Aufmachung bereitmacht,
von der Seele seines Opfers Besitz zu nehmen.
Der Ausdruck versipellis [48] hat im Prinzip den gleichen
Sinn, fügt aber eine zusätzliche Nuance hinzu: Er zeigt die Geschmeidigkeit,
die wandelbare Seite des Fuchses. Er dient Origenes dazu, die geschickte und
glänzende, aber täuchende Dialektik zu beschreiben, in deren Kunst die Ketzer
Meister sind.
Bei den Häretikern, die Origenes in seiner Allegorie mit
Vergleichen zu den Füchsen nur so übersät, sind, wie er uns selbst informiert,
einerseits die Marcioniten und andererseits die bedeutende Gemeinschaft des
Valentinos, die für ihre glänzenden Sophismen (Scheinbeweise) bekannt gewesen
sein sollen.
In Origenes’ Kommentar zum Hohenlied setzt sich die
Auslegung über den Fuchs in den von seiner Ezechiel-Homilie bekannten analogen
Ausdrücken fort. Das semantische Feld ist dasselbe. Es ist keine Frage von
calliditas und astutia, fallacitas und dolosa sophismata, decipere und
insidiare.
Der Fuchs hat hier eine zweifache Bedeutung.
Zum ersten versinnbildlichen die Füchse wie in der
Ezechiel-Homilie „die abartigen Lehrer der häretischen Doktrin, die das Herz
der Unschuldigen verführen und die Weinreben Gottes ausmerzen, damit sie nicht
der Regel des Glaubens zufolge blühe“. Die verlogenen Scheinbeweise dieser
Ketzer sind Origenes zufolge „in den Augen der Ignoranten verführerischer als
die Lehre der Wahrheit“ (Kommentar zum Hohenlied III,2,14).
Zum zweiten müssen die Füchse verstanden werden als „die
feindseligen Mächte und die schlechte Natur der Dämonen“. Zweitens müssen die
Füchse verstanden werden wie «die feindseligen Mächte und die schlechte Natur
der Dämonen». Diese zerstören „durch gewundene Gedanken und eine Fähigkeit
geistiger Gerissenheit die Blume der Tugend und die Frucht des Glaubens in der
Seele“. Das, so erklärt Origenes, seien die Dämonen, welche die Ketzerei ins
Leben riefen.
Das Thema der dämonischen Eingebung durch die Häresie [50]
wird hier bereichert durch ein vermittelndes Element, was durch die „Schräge“
des Fuchses gegeben ist. In der Interpretation zu Psalm 63,10, vermerkt
Origenes zu „Aus der Richtung der Füchse“, (ibd. III,2,14), dass man in
allegorischer Sicht jegliche abartige und täuschende Macht, die der falschen
Kenntnis erlaubt hat, Fuß zu fassen, Fuchs nenne. „Aus der Richtung der Füchse“
deutet in gleicher Weise auf die Lehrer der Häresie, welche die Seele des
Wahrhaftigen verführen, hin. Ihr Schicksal ist es, in die Tiefen der Ignoranz
hinabzufallen. „Aus der Seite der Füchse sein“ sein bedeutet letztlich, auf der
Seite der boshaften und abartigen Dämonen zu sein. Man wird bemerken, dass
Origenes eine einheitliche Terminologie verwendet, um vom Fuchs, den Ketzern
und den Dämonen zu sprechen.
Der Autor ergänzt sein Dossier über den Fuchs mit Zitaten
von Matthäus 8,20, Lukas 13,31 und schließlich Richter 15. In diesem letzten
Abschnitt stellt Origenes den falschen Meistern der Ketzerei, den Füchsen, die
wahrheitsgetreuen Meister gegenüber, die von Samson symbolisiert werden. Im
Spiel der Interpretation sind die 300 Füchse der Richter das Sinnbild der drei
Formen von Sünde: In der Handlung, der Sprache und dem Geist.
In „Gegen Celsus“ entwickelt Origenes das Thema der
verwirrten Verwurzelungen, welche die Füchse mit den Dämonen verbindet. „Die
Füchse“, sagt er, „sind eine der Wohnstätten, die von den Dämonen bevorzugt
werden, welche sich in den listigsten, räuberischsten und grausamsten der Tiere
einnisten. Es sind die Dämonen, welche die Tiere dazu drängen, die von ihnen
gewünschten Handlungen zu vollbringen“.[51]
Die Anspielung der Dämonen, die in den Tieren leben, erklärt
die hellsichtige Macht unter einigen unter ihnen, die Füchse sind. Alle Tiere,
wie Vögel, Schlangen oder Wölfe, hätten die Fähigkeit zu Voraussagungen. Die
Dämonen haben übrigens eine viel größere Macht als nur den Einfluss, den sie
auf die sanftmütigen und friedlichen Geschöpfe ausüben. Dies äußert sich
Origenes zufolge kraft einer perfiden Affinität.
*
Die Terminologie, die die Begriffe von gerissen und
gewunden darstellt, wurde von den Zoologen benutzt, um nicht nur die Psychologie
des Fuchses, sondern auch seinen Gang zu beschreiben: Der Fuchs bewegt sich in
der Tat nicht geradeaus voran, sondern seitlich. Das ist die gleiche
Terminologie, die Origenes verwendet, um die gewundenen Wege des Boshaften zu
beschreiben.
Das Thema wurde zu einer festen Größe in der Patristik, um
die Identifizierung des Teufels mit dem Fuchs abzustützen. Dies findet auch
seinen Widerhall in der Entwicklung der Bestiarien des Hochmittelalters.
Wortspiele zwischen vulpes-volupes-volubilis [52] illustrieren die
Gemeinsamkeiten vom Fuchs mit dem Teufel, die angeblich ein gleichartiger Gang
verbinde; so heißt es in diesen Texten: „Der Teufel wird wegen der
Übereinstimmung seines Ganges mit dem Fuchs gleichgesetzt. Dicitur enim vulpes
quasi volupes“. „In der Tat bewegt sich der Fuchs durch Ziehen von Kreisen und
kurvigen Biegungen vorwärts, genau wie der Teufel, der das Opfer einkreist und
betrügt, bevor er davon Besitz ergreift. Und genau wie der Ketzer, der seine
Beute durch gewundene Gedankengänge einkreist“.[53]. Die Ketzerei, so könnte
man hinzufügen, ist der Orthodoxie entgegengesetzt, wie die Kurve der Linie
entgegensetzt ist.
Die fortschreitenden Auslegungen der Patristiker wie
Hippolyt, Irenäus und Origenes beweisen keine besondere Originalität. Sie alle
reihen sich ein an diese zweifache Interpretation: Der Fuchs ist Symbol des
Ketzers, der Fuchs ist der Teufel.
Die fortschreitenden Exegesen der Patristiker wie Hippolyt,
Irenäus und Origenes beweisen keine besondere Originalität. Sie alle reihen
sich ein an diese zweifache Interpretation: Der Fuchs ist Symbol des Ketzers,
der Fuchs ist der Teufel.
Auch der Physiologus [54] hält sich gleichermaßen an die
Identifizierung des Teufels mit dem Fuchs. Seine zoologische Beschreibung des
Fuchses wird begleitet von einer Allegorie der gleichen Bibelstellen, wie sie
schon die Väter studiert hatten.
Die Gesamtheit der Bibelstellen über den Fuchs, die von
Hippolyt und Origenes verwendet wurden, findet sich erneut bei den Vätern von
Kappadozien, Gregor von Nyssa und Amphilochius, bei Kyrill von Alexandria und
auch bei Isidor, Cassiodorus und Alain von Lille. Anhand der Exegesen der Väter
des zweiten und dritten Jahrhunderts spekulieren Euthyme Zigabène und Hrabanus
Maurus noch Jahrhunderte später in analogen Ausdrücken über den Fuchs.
Die gleichen Traditionen über das Verhalten des Fuchses,
dessen Befunde die Zoologen der Antike erstellt hatten, fanden durch Autoren
der Patristik in deren Interpretationen der Bibelstellen ihre Fortsetzung und
Untermauerung.
Im Laufe der Jahrhunderte wechselten die Ketzer ihre Namen.
Später wurde nicht mehr der Gnostiker von Hippolyt und Origenes anvisiert,
sondern der Manichäer oder der Arianer, oder noch viel später, der Bogomile.
Dennoch blieb die Bedeutung der Worte List, Täuschung und Doppelbödigkeit
dieselbe.
Der Fuchs ist nicht übrigens das einzige Tier, das die
Kirchenväter benutzen, um den Ketzer zu beschreiben.
Ein ganzes Bestiarium der Ketzerei, bevölkert von boshaften
Tieren, durchzieht die Jahrhunderte der Patristik bis zu dem Punkt, wo die
Schematisierung der Bestiis in den Lehrbüchern des Mittelalters ihr Ende findet.
Die Kirchenväter fanden mehrere starke Symbole, die ihnen
gestatteten, das Porträt des Ketzers in mehrdeutigen Farben von List,
Übertretung und Andersartigkeit zu
zeichnen, in der Zoologie.
Die
wichtigsten Anmerkungen:
[2] Nehemia 3,35 (Bau der Stadtmauer von Jerusalem):
Aber Tobia, der Ammoniter, neben ihm sprach: „Lass sie nur bauen; wenn Füchse
hinaufzogen, die zerrissen wohl ihre steinerne Mauer.“
[4] Klagelieder 5,17-18: Darum ist auch euer Herz
betrübt, und unsere Augen sind finster geworden, um des Berges Zion willen,
dass er so wüst liegt, dass die Füchse darüberlaufen.
[5] Ezechiel 13,4: Oh Israel, deine Propheten sind wie
die Füchse in den Wüsten!
[6] Psalm 63,10-11 (Sehnsucht nach Gott und seinem
Heiligtum): Sie werden ins Schwert fallen und den Füchsen zuteil werden.
[7] Matthäus 8,20: Jesus sagt zu ihm (dem
Schriftgelehrten, der ihm nachfolgen will): „Die Füchse haben Gruben, und die
Vögel unter dem Himmel haben Nester, aber des Menschen Sohn hat nicht, da er
sein Haupt hinlege“.
[8] Lukas 13,32 (Über Herodes Antipas, der ihn
angeblich töten will): Und er sprach zu ihnen: „Gehet hin und saget diesem
Fuchs: ‚Siehe. ich treibe Teufel aus und mache gesund heut und morgen, und am
dritten Tage werde ich ein Ende nehmen.’“
[9] Richter 15,4-5 (Rache Samsons, dem ein Philister
seine Frau geraubt hatte): Und Samson ging hin und fing 300 Füchse und nahm
Brände und kehrte je einen Schwanz zum andern und tat einen Brand je zwischen
zwei Schwänze und zündete die Brände an mit Feuer und ließ sie unter das Korn
der Philister und zündete also an die Garben samt dem stehenden Korn und
Weinberge und Ölbäume.
[22] Geschichte der Tiere VIII,1, 588a: „Man findet bei
den meisten Tieren Spuren psychologischer Elemente, die sich auch beim Menschen
veranschlagen lassen. Da sind in der Tat die Zartheit und die Wildheit, die
Leichtfertigkeit und Niederträchtigkeit, der Mut und die Feigheit, die
Veranlagung zur Angst oder der Tollkühnheit, die Wünsche, der Betrug; die
Intelligenzzüge, die auf das Vernunftmäßige angewandt werden, begründen
Ähnlichkeiten mit dem Menschen, den man bei vielen Tieren wiederfindet.“
[23] Geschichte der Tiere I,1,488b: „Bei den Tieren
zeigen sich auch die relativen Charakterunterschiede. Manche sind friedlich,
unbekümmert, ohne Eigensinn, wie das Rind; andere sind dumm-feurig,
eigensinnig, wie das Wildschwein; andere sind vorsichtig und schüchtern, wie
der Hirsch und der Hase; andere sind wie die Schlange niederträchtig und
hinterhältig; andere sind edel, mutig und großmütig wie der Löwe; andere sind
wie der Wolf reißend, wild und gemein... andere sind wie der Fuchs listig und
boshaft; andere gefühlvoll, sind zu Zuneigungen und Liebkosungen fähig wie der
Hund; andere sind ruhig und leicht, zu zähmen, wie der Elefant; andere sind
schamhaft und immer umsichtig, wie die Gans; andere sind eifersüchtig und
stolz, wie der Pfau. Aber ein allein ist fähig zum Denken, dies ist der
Mensch.“
Der Originaltext in
französischer Sprache ist hier:
Bücher über den
Fuchs:
Reineke Fuchs und die Göttin
Göttin, Fuchs und Ostern
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