Theologische Magdalenenverehrung bei Origenes von Alexandria
© 2013 by Klaus Mailahn
Einführung
Vor einiger Zeit fand ich in einer älteren Ausgabe der
Zeitschrift esotera einen Artikel über Maria Magdalena mit dem Titel „Die
heiligen Huren“.[1]
Darin standen einige bemerkenswerte Bezeichnungen, die laut der Autorin, Irene Dalichow, kein
Geringerer als der Kirchenvater Origenes von Alexandria, einer der besten – und
zugleich auch in Ungnade gefallenen – Theologen der der Kirche über Maria
Magdalena, die Frau aus Magdala, gemacht haben soll. Dalichow zufolge soll Origenes sie folgendermaßen
genannt haben:
1) Jerusalem
2) Unser aller Mutter
3) Von Beginn aller Zeit aller lebend
4) Unsterblich
5) Ecclesia
Da nun eine esoterische Zeitschrift nicht unbedingt die Art von Quelle ist, die man in einer theologischen Arbeit angeben möchte, ging ich der Quellenangabe bei Dalichow nach und stieß so auf „Das geheime Wissen der Frauen“ von Barbara Walker,[2] auch nicht gerade eine optimale Quelle, aber immerhin schon besser. Walker führt dieselben Bezeichnungen wie Dalichow auf und spricht von einer „mystischen Hingabe“, die Origenes für Maria Magdalena gehabt haben soll. Unabhängig von der Frage, inwieweit dies stimmen mag, führte mich Walkers Lexikon zu einer sehr bemerkenswerten Arbeit von Marjorie M. Malvern, „Venus in sackloth. The Magdalen’s origins and metamorphoses”,[3] und diese geht im Kapitel „The Magdalen’s link with an ancient goddess of love“ ausführlich auf Origenes und Maria Magdalena ein. Last but not least fand ich noch einen sehr interessanten Artikel von Hermann-J. Vogt über Origenes im LThK,[4] der ebenfalls einige Aufschlüsse zum Thema dieses Aufsatzes zu bieten hat, sowie die deutsche Version zweier Homilien zum Hohelied, übersetzt von Karl Suso Frank.[5]
1) Jerusalem
2) Unser aller Mutter
3) Von Beginn aller Zeit aller lebend
4) Unsterblich
5) Ecclesia
Da nun eine esoterische Zeitschrift nicht unbedingt die Art von Quelle ist, die man in einer theologischen Arbeit angeben möchte, ging ich der Quellenangabe bei Dalichow nach und stieß so auf „Das geheime Wissen der Frauen“ von Barbara Walker,[2] auch nicht gerade eine optimale Quelle, aber immerhin schon besser. Walker führt dieselben Bezeichnungen wie Dalichow auf und spricht von einer „mystischen Hingabe“, die Origenes für Maria Magdalena gehabt haben soll. Unabhängig von der Frage, inwieweit dies stimmen mag, führte mich Walkers Lexikon zu einer sehr bemerkenswerten Arbeit von Marjorie M. Malvern, „Venus in sackloth. The Magdalen’s origins and metamorphoses”,[3] und diese geht im Kapitel „The Magdalen’s link with an ancient goddess of love“ ausführlich auf Origenes und Maria Magdalena ein. Last but not least fand ich noch einen sehr interessanten Artikel von Hermann-J. Vogt über Origenes im LThK,[4] der ebenfalls einige Aufschlüsse zum Thema dieses Aufsatzes zu bieten hat, sowie die deutsche Version zweier Homilien zum Hohelied, übersetzt von Karl Suso Frank.[5]
Aus dem Leben des Origenes
Origenes wurde etwa im Jahr
185 in Alexandrien geboren und erlangte dank der Bibliothek von Alexandria, der
größten ihrer Zeit, schnell umfangreiche Kenntnisse biblischer und anderer Texte.
Er war schon als junger Mann ein sehr gläubiger Mensch, und interessanterweise
war er schon in jungen Jahren von der Botschaft des Hohenliedes angezogen. Eine
Bearbeitung, die er noch in seiner Jugendzeit verfasste, ist uns erhalten
geblieben.[6]
Um Christus ähnlicher zu werden,
entschied er sich zu dem Schritt der Selbstkastration, was er später schwer
bereute.[7]
Denn es sollte sich herausstellen, dass dieser Akt die ihn bedrängende Lust
keineswegs verdrängte, wie er sich erhofft hatte, sondern im Gegenteil sein
Leiden noch verschlimmerte. Wenn man bedenkt, dass Origenes in Gestalt des Hohenliedes mit einem hoch
erotischen Text konfrontiert war, muss die Frage erlaubt sein, ob seine
Selbstverstümmelung damit in Zusammenhang steht. Erst viel später, um etwa 240,
mit 55 Jahren, wird er dies in der umfangreichen Kommentierung des Hohenliedes verarbeiten, indem
er im Rahmen seiner Sexualfeindlichkeit die Braut des Hohenliedes zum Symbol für die
Kirche, die Ecclesia, umdefiniert. Und als Ecclesia wiederum bezeichnete er
auch Maria Magdalena.
Origenes bekämpfte zwar die
Gnostiker, übernahm allerdings einzelne Elemente ihrer Lehren und wurde
wiederum selbst wegen von der kirchlichen Lehre abweichender Meinungen als
Häretiker bekämpft und mit dem Bannfluch belegt. Dabei spielte vielleicht auch
eine Rolle, dass er im Kirchenstreit Partei für den mit ihm befreundeten Hippolyt von Rom (170-236)
ergriff. Unter den Qualen der Folter starb Origenes um die Jahreswende
253/254, ohne wieder in die Kirche aufgenommen worden zu sein. Noch lange nach
seinem Tod wirkten seine Ansichten in den so genannten origenistischen
Streitigkeiten nach. Eines seiner größten Vermächtnisse – und wohl ein weiterer
Grund für die Kirche, ihn zu anathemisieren – ist, dass bei ihm als einzigem
Theologen des Westens seiner Zeit Auslegungen zu finden sind, die auf die Reinkarnationslehre zielen. So
geht er davon aus, „dass nach unendlich langen Zeiträumen alle vernünftigen
Seelen in den Zustand der Vollkommenheit zurückgeführt werden“ (Apokatastasis), und nicht nur
das: der Endzustand werde aufgrund der nun gegen einen erneuten Abfall in der
Liebe gefestigten Seelen den Urzustand noch übertreffen. Dies zeigt bereits,
welch tiefblickenden Menschen wir hier vor uns haben – einen, der uns übrigens
auch, wie schon Hippolyt, von Maria Magdalena
als Überbringerin von Lehren an verschiedene gnostische Gemeinden berichtet.
Einflüsse auf Origenes
Die zu Anfang dieses Artikels aufgeführten Attribute zu
Maria Magdalena stammen aus Origenes’ Kommentar zum Hohenlied. Gerade bei diesem
Werk von ihm muss man hier zunächst den Hintergrund, von dem er beeinflusst war,
im Auge behalten. Origenes hat seine Gedanken
und Ideen über Maria Magdalena und Christus vor allem vom Hohenlied, den Weisheitsbüchern des ATs
sowie von Platons Symposion, dieser wiederum von
der griechischen Mythologie, besonders den Mythen von Aphrodite. Im Symposion schreibt Platon:[8]
„Wir wissen, dass die Göttin Aphrodite untrennbar mit der
Liebe verknüpft ist. Doch wenn da nur eine einzelne Aphrodite wäre, gäbe es auch
nur eine einzelne Liebe! Wenn es jedoch zwei Aphroditen gibt, dann folgt
daraus, dass es auch zwei Arten von Liebe gibt. Wer nun sind die beiden Aphroditen? Die eine ist die
mutterlose Tochter des Uranus, aus dem Schaum der Wellen geboren; diese ist die
Himmlische Aphrodite. Und es
gibt die jüngere, das Kind von Zeus und Dione, und diese wird die Gewöhnliche Aphrodite genannt.“
Die
beiden Aphroditen stehen für die
höhere und die fleischliche Liebe. Sie entsprechen der alten und Neuen Eva und sind zugleich
das Vorbild der oberen und unteren Sophia in
der Gnosis. Die Neue Eva und die obere Sophia aber sind mit
Maria Magdalena assoziierbar, denn Maria Magdalena gilt nach Hippolyt von Rom
als die „Apostelin werdende Eva“ – die Frau, die sich nicht vom Herrn
abwendete, sondern zu ihm hielt über den Tod hinaus. In Bezug auf die gnostiche
Sophia aber gilt Maria
Magdalena als die inkarnierte Äonin. Bereits Hans-Martin Schenke arbeitete
einst folgende Konstellation aus: Die Ruachmutter ist die Gefährtin
von Christus im Pleroma, Sophia diejenige vom Soter in
der Ogdoad, und Maria Magdalena
schließlich diejenige von Jesus in der irdischen Welt.[9]
Origenes hat schon damals die
Göttlichkeit von Maria Magdalena anhand des Vergleichs mit der griechischen Liebesgöttin
ausgemacht, sie dann aber Christus untergeordnet, so wie es auch die Gnostiker
taten. Zudem ist bei ihm ebenfalls die Verbindung von Maria Magdalena zur Ruachmutter erkennbar. Denn,
so schreibt er, wenn Maria Jesus die Füße salbt, ist die Kirche mit dem Duft
des Heiligen Geistes erfüllt.[10]
Besonders angetan war Origenes vom Hohenlied, und gerade
hinsichtlich Maria Magdalena ist daher dieser Bibelteil für ihn von
allergrößter Bedeutung. Die Hochzeit im Hohenlied ist für Origenes keine „fleischliche“
Hochzeit, sondern ein Mysterium höherer Liebe von größter Bedeutung,[11]
denn wie viele andere Kirchenväter, so hatte auch er die höhere Liebe erkannt, die
in Gestalt von Jesus Christus und Maria Magdalena in die Welt gekommen war.
Etwas Unfassbares war geschehen: Gott war Mensch geworden! Die Glaubensvorstellungen
des alten Heidentums waren damit überwunden, und es galt, eine theologische
Trennlinie zu ziehen. Um das schier Unbegreifliche in Worte zu fassen,
bedienten sich viele Kirchenväter der Allegorie. Als Vorlage für ihre
Bildersprache diente ihnen in erster Linie das AT. Jegliche Personen dort
wurden als Vorbildungen NTlicher Personen angesehen. Auf Maria Magdalena wurde
zunächst das alte Bild von Eva als Sünderin übertragen und mit dem von Sophia und der Braut Sulamith im Hohenlied vereinigt, sodass
sie daraufhin erhöht und zur Neuen
Eva werden konnte, wie es vor allem durch Hippolyt geschah, womit er Origenes ganz erheblich beeinflusst
haben dürfte.
Sehr wichtig waren für Origenes außerdem die Weisheitsbücher des ATs, und
insbesonderse, was die Bezeichungen „Von Anbeginn aller Zeit an lebend“ und
„unsterblich“ angeht, so sind diese Beschreibungen aus den Proverbien, den Sprüchen Salomos, bestens bekannt.
Origenes’ exegetische Methodik
Origenes benutzt den
platonischen Glauben an „die Korrespondenzen aller Dinge auf Erden und ihrer
Himmlischen Vorbilder“, um die Stichhaltigkeit seiner eigenen Fähigkeit zu
verteidigen, das in den Worten des Hohenliedes zum Ausdruck
kommende Verborgene zu offenbaren. Um das platonische Dogma von den
Korrespondenzen zu unterstützen, bedient sich Origenes auch Begriffen aus
dem Buch der Weisheit, welches, wie das Hohelied, anachronistisch Salomo zugeschrieben wird. „Ich durfte beides erkennen, sowohl das, was
geheim und das was offenbar ist, denn die Weisheit, die Gestalterin aller
Dinge, lehrte mich.“ Wenn Origenes daher Bezug auf das Hohelied nimmt, dann in erster
Linie allegorisch, allerdings nicht in der seinerzeit üblichen vierfachen
Methode der Exegese, sondern in einer dreifachen. Diese dreifache Methode
spiegelt sich in der Auslegung des geschriebenen Wortes als platonische Idee vom
als aus Körper, Seele und Geist bestehenden dreifältigen Menschen. Origenes’ Verwendung der Idee
des dreifältigen Menschen und sein Versuch, die Seele vom Körper getrennt zu
sehen, spiegelt auch eine Affinität mit der Gnosis wider. Wie die Gnostiker
entlieh sich Origenes das berühmte
griechische Diktum „Erkenne dich selbst“ und transformierte das griechische
Konzept in die Notwendigkeit der Seele, ihren Ursprung und ihre Bestimmung zu
erkennen, „während sie unter den Mysterien wandeln muss“. Die Seele muss, so
fügt er hinzu, „bei dem Erkennen ihrer selbst dem Studium der Dogmatik und
heiligem Streben Beachtung schenken.“
Maria von Magdala oder von Bethanien?
Christus ist, wie sein Name sagt, der Gesalbte, doch seine
Salbung erfolgte durch Frauen. Aus diesem Grund sind die folgenden Überlegungen
von größter Wichtigkeit für die Stellung der Frau im frühen Christentum:
Liest man die eingangs dieser Arbeit genannten
Bezeichnungen für Maria Magdalena im Hoheliedkommentar des Origenes, so gewinnt man
zunächst den Eindruck, dass diese eher auf Maria von Bethanien gemünzt sein
könnten: Origenes interpretiert die Braut des Hohenliedes als die Seele oder
Psyche, und den Bräutigam als Liebe, Eros-Christus. Die Braut des Hohenliedes ist ferner die „Maria, welche die Füße Jesu salbte und sie
mit ihrem Haar trocknete.“ Und sie ist zugleich die Kirche oder Jerusalem, „unser Aller
Mutter“, die seit Anbeginn der Zeit an gegenwärtig ist (Prov 8,22-31). Die Braut-Kirche muss von den „falschen
Lehren“, die sie unter den Heiden gelernt hat, gereinigt werden. Wenn sie
gereinigt ist, kann sie sich mit ihrem Bräutigam-Wort-Christus vereinigen. Dieser
versorgt sie mit dem „lebendigen Wasser, welches ihr trockenes Land in das
fruchtbare Paradies der zweiten Adam
und Eva verwandelt.“[12]
Es erhebt sich nun die Frage, ob mit den Zuordnungen, die Origenes vornimmt, Maria von Bethanien oder Maria
von Magdala gemeint ist. Hat er in den beiden Marien eine Person gesehen, oder
er hat er sie sorgsam voneinander getrennt? Das, was uns darüber von ihm
bekannt ist, lässt beide Schlüsse zu:
Einzelne Aspekte von Origenes‛ komplexer Lehre
weisen eine gewisse Ähnlichkeit mit der seines Freundes Hippolyt auf, den er etwa im
Jahr 212 das erste Mal hatte predigen hören. Von seinen zahlreichen Werken sind
betreffend Maria Magdalena nur wenige Passagen bekannt. Seit Origenes und danach seit
Ephräm dem Syrer und Johannes Chrysostomos wurden Maria von Bethanien, die in Joh 11,1-12,3 und die
namenlose Frau aus Mt 26,5-13 (par. Mk 14,3-9) bisweilen als eine
Frau angesehen, und zwar deshalb, weil das Ergebnis der Salbung aus Joh 12,3 dasselbe sei wie jene
aus den anderen beiden Stellen. Für die Entwicklung des zukünftigen
Magdalenenbildes sind dies einschneidende Gedanken und daher erwähnenswert.
Seit Clemens von Alexandrien
bestand bereits eine Verquickung von Maria aus Bethanien und der Sünderin des Lukas (Lk 7,36-50). Auch bei Tertullian findet man diese
Vermischung, wobei dieser sich selbst an anderer Stelle widerspricht und die
beiden Frauen wieder auseinanderdividiert. Derartige Widersprüche sind bei zahlreichen Kirchenvätern
zu finden. In dem, allerdings von fremder Seite stark überarbeiteten
Markus-Kommentar erklärt Origenes sich für die Annahme von drei salbenden
Frauen, schafft daraus dann aber aus drei Salbungen doch wieder ein
Einheitsbild. Später wird er darüber aussagen, dass die drei verschiedenen
Salberinnen nicht historisch gemeint seien. An anderer Stelle, Lk 10,38-42 und 7,36-50 sowie Joh 11,1-12,3 betreffend, geht
er von nur einer Frau bei zwei Salbungen aus: Johannes habe die von Lukas verschwiegenen Namen
mitgeteilt. In der ersten Homilie zum Hohenlied hingegen trennt er
sorgfältig die Frau, welche das Salböl über Jesu Haupt goss als die heilige Maria
von der Sünderin, welche Jesus die Füße salbte.[13]
Explizite Aussagen, dass Maria Magdalena identisch mit Maria von Bethanien oder gar
der Sünderin bei Lk sei, findet man bei ihm nicht. Am ehesten klingt es noch im
fragmentarisch erhaltenen Johannes-Kommentar
so, als könnte Maria Magdalena auch eine Sünderin gewesen sein. Gerade
in diesem Johannes-Kommentar, besonders im ersten Teil, ist zugleich auch eine
Sophia-Verehrung von Origenes zu erkennen,[14] was
bedeuten würde, dass er Maria Magdalena mit Sophia – in diesem Fall wohl
der „unteren“ Sophia – verknüpft haben könnte.
Gegner des Origenes – Celsus und Porphyrius, Atheisten und
Nichtchristen (und Nichtgnostiker) – reden von Maria Magdalena als einem
„verrückten Weib“ beziehungsweise einem „gemeinen Weibe aus einem armseligen
Dörfchen.“ Um wie vieles heftiger wäre die Polemik der Spötter gewesen, wenn es
Grund zur Annahme gegeben hätte, dass eine ehemalige Prostituierte als Erste den
Auferstandenen geschaut hätte! Origenes verteidigt hier Maria Magdalena heftig,
was durchaus dafür spricht, dass er ihre Person verehrte.
Hinsichtlich Sulamith waren es vor allem
die Parallelen der a) nächtlichen Suche (Hld 3,1-5 zu Joh 20,1), b) die
Liebe und Treue der Frau (Hld 8,6-7 zu Joh 20,11-18),
sowie c) der Aspekt der Salbe (Hld 1,3; 4,10 zu Joh 12,1-11),
welche die frühchristlichen Autoren dazu bewog, die Braut des Hohenliedes mit Maria Magdalena
zu assoziieren. Bezüglich der Salbe Sulamiths nennt Origenes Maria von Bethanien (Joh
12,1-11), nämlich die Braut als „die Maria, welche die Füße Jesu salbte und sie mit ihrem Haar
trocknete“, welche er an anderer Stelle von Maria Magdalena getrennt
sieht. Doch aus dem Zusammenhang geht eindeutig hervor, dass die Magdalenerin
gemeint ist.[15]
Abgesehen davon wäre es natürlich wenig realistisch zu glauben, dass Origenes alle fünf genannten
Attribute der ansonsten relativ bedeutungsarmen Maria von Bethanien zugeordnet
hätte. Symbolisch gesehen ist für Origenes die Braut des Hohenliedes die Seele oder
Psyche, der Bräutigam die Liebe, Eros-Christus.[16]
Die beiden Marien aus Magdala und Bethanien verschmelzen in Origenes’ Kommentar zum Hohenlied also
zu einer Frau und einem Symbol.
Die Salbe, die von der Braut benutzt wird, um ihren
Geliebten zu salben, ist diejenige, die von Maria von Bethanien verwendet
wurde, um Christus zu salben. Origenes erklärt: Außerdem ist
Christus die Salbe, „welche die, die gesalbt werden, zu Christen macht. Wenn die Braut-Seele-Maria die Füße des Bräutigams-Christus-Wort salbt, ist die ganze Kirche
erfüllt vom Duft des Heiligen Geistes“.
Der Duft von der Salbe der Braut strömt, wie Malvern es ausdrückt, zu Maria
Magdalena und bleibt an ihr haften bis zu ihrem Todestag, wo er noch „sieben
Tage lang“ nach ihrem Tod in ihrem provençalischen Heiligtum wahrnehmbar ist.
Denn wie Jacobus de Voragine schreibt,
erfüllte das „Parfüm ihrer Heiligkeit“ die Kapelle von Bischof Maximine in Aix-en-Provence noch sieben
Tage, nachdem ihre Seele gen Himmel aufgestiegen war, noch bevor ihr Leib mit
einer großen Zeremonie bestattet wurde.
Durch Origenes’ Identifikation der Salberinnen Christi mit der Braut des Hohenliedes wird Maria
Magdalena zu Christi Schwester-Braut, „soror mea sponsa“. Trotz der Tatsache, dass Origenes von der
Römisch-Katholischen Kirche der Kirchenbann auferlegt wurde, überlebten seine
mystischen Interpretationen des Hohenliedes. Und obwohl er die Salberin Christi nicht
explizit als Maria Magdalena definierte, nahm die Westliche Kirche die beliebte
Identifikation der Maria Magdalena sowohl als Prostituierte als auch der Frau aus Bethanien, wie sie in
den kanonischen Evangelien als Salberinnen Jesu dargestellt werden, an, und
feierte Maria Magdalena als die Braut des Hohenliedes.[17]
Einzelauslegung der Maria Magdalena von Origenes zugeordneten Attribute
1) Jerusalem
Die Bezeichnung
geht zurück auf Hld 1,5: „Braun[18] bin ich, doch schön, ihr Töchter Jerusalems, wie die Zelte von Kedar, wie Salomos Decken.“ Der Satz wird gesprochen von Sulamith, die sich nach dem
Geliebten sehnt, und in Vers 3 nimmt sie auch Bezug auf seine Salbung. Angesichts der
üblichen Zuordnung der Braut des Hohenliedes zu Maria
Magdalena es überaus naheliegend, dass Letztere hier gemeint ist. Für Origenes freilich bietet die
dunkle Farbe Anlass, die Braut zuerst als Sünderin zu
brandmarken, um sie später als strahlend weiß erscheinende Braut verherrlichen zu können.[19]
In Hld 2,7 spricht Sulamith: „Bei den Gazellen und Hirschen auf der Flur beschwöre ich euch, Jerusalems Töchter: Stört die Liebe nicht
auf, weckt sie nicht, bis es ihr selbst gefällt.“ In Hld 3,5 wiederholt sie dies mit fast genau
denselben Worten, und in Hld 8,4 findet sich nahezu
derselbe Satz ein drittes Mal. Das erste Mal spricht sie ihn vor ihrer
verzweifelten nächtlichen Suche des Geliebten, das zweite Mal unmittelbar,
nachdem sie ihn gefunden hat. Es bedeutet, dass die Hochzeit sich erst dann
vollziehen kann, wenn Braut und Bräutigam bereit sind. Denn erst nach dem Gang
in die Unterwelt, nachdem die Braut ihren Geliebten gefunden hat, kann das
Frühlingsfest beginnen, die Hochzeit sich vollziehen. „Jerusalems Töchter“ sind in
diesem Fall niemand anders als die Jüngerinnen und anderen mit Jesus
verbundenen Frauen neben Maria Magdalena, die mit ihr am Ostermorgen zum Grab Christi gehen. In fast
unmittelbarem Anschluss an 8,4 finden sich zwei Zeilen, die am kirchlichen
Feiertag Maria Magdalenas in der Messe gelesen werden, nämlich Hld 8,6-7. Diese zeugen in
aller Deutlichkeit von der Treue der Braut zu ihrem Bräutigam, über den Tod
hinaus. Für altkirchliche Exegeten wie Origenes stand es vollkommen
außer Frage, dass mit der Braut des Hohenliedes hier nur Maria
Magdalena gemeint sein kann!
Hld 3,11: „Ihr Töchter Jerusalems, kommt heraus und schaut, ihr Töchter Zions, König Salomo mit der Krone! Damit hat ihn
seine Mutter gekrönt am Tage seiner Hochzeit, an dem Tag seiner Herzensfreude.“
Abermals sind diese Sätze von Sulamith. Sieht man auch weiterhin konsequent Sulamith als Maria Magdalena und Salomo als Jesus, heißt dies: Die Jüngerinnen sollen sich
freuen, denn Christus ist auferstanden!
Dass aber seine Mutter ihn gekrönt hat am Tag seiner Hochzeit, kann sich nur
auf die Hochzeit von Kana beziehen, an
der Jesus und Maria Magdalena
heirateten!
Hld 5,8: Wiederum Sulamith: „Ich beschwöre euch, Jerusalems Töchter: Wenn ihr meinen
Geliebten findet, sagt ihm, ich bin krank vor Liebe.“ Hieran sieht man, dass die Chronologie
des Hohenliedes nicht stimmig ist,
weil es von den Rabbinern umgebaut wurde. Denn diese Worte können natürlich nur
in eine Szene passen, die stattfand, bevor Sulamith alias Maria Magdalena
ihren Geliebten findet, und zwar deutlich vor der nächtlichen Suche.
Hld 5,16: „Sein Mund ist voll Süße; alles ist Wonne an ihm. Das ist mein
Geliebter, ja, das ist mein Freund, ihr Töchter Jerusalems.“ Auch dies wird von
Sulamith-Maria Magdalena gesprochen, offenbar, nachdem sie ihn gefunden hat.
Hld 6,4: Der Geliebte spricht
zur Geliebten: „Schön wie Tirza bist du,
meine Freundin, lieblich wie Jerusalem, prächtig wie Himmelsbilder.“ Dieser Vers gestattet eine direkte
Assoziation von Sulamith-Maria Magdalena mit Jerusalem!
2) Unser aller Mutter, 3) Von Beginn aller Zeit aller lebend
Diese beiden Zuordnungen sind
nicht voneinander zu trennen. Wir finden sie zwar nicht im Hohenlied, wohl aber in den
Sprüchen Salomos, den Proverbien. In Prov 8,22-31 spricht „Frau Weisheit“:
„Der Herr hat mich geschaffen im Anfang seiner Wege, vor
seinen Werken in der Urzeit;
in frühester Zeit wurde ich gebildet, am Anfang, beim
Ursprung der Erde.
Als die Urmeere noch nicht waren, wurde ich geboren, als
es die Quellen noch nicht gab, die wasserreichen.
Ehe die Berge eingesenkt wurden, vor den Hügeln wurde ich
geboren.
Noch hatte er die Erde nicht gemacht und die Fluren und
alle Schollen des Festlands.
Als er den Himmel baute, war ich dabei, als er den
Erdkreis abmaß über den Wassern,
als er droben die Wolken befestigte und Quellen strömen
ließ aus dem Urmeer,
als er dem Meer seine Satzung gab und die Wasser nicht
seinen Befehl übertreten durften,
als er die Fundamente der Erde abmaß, da war ich als
geliebtes Kind bei ihm. Ich war seine Freude Tag für Tag und spielte vor ihm
allezeit.
Ich spielte auf seinem Erdenrund und meine Freude war es,
bei den Menschen zu sein.“
Chokmah, Sophia ist also zweifellos
„unser aller Mutter“, und zweifellos lebte sie seit Anbeginn der Zeit. Im 10.
Kapitel der „Weisheit Salomos“ wird
beschrieben, welchen Bezug bereits die Urväter Israels zu Chokmah hatten: Wsh 10,1-2: Sie behütete Adam,
befreite ihn von der Ursünde und gab ihm die Kraft, über alles zu herrschen. So
bezog schon der erste Mensch seine Kraft aus der Beziehung zum
Göttlich-Weiblichen. Wsh 10,4: Sie errettete die
überflutete Erde und steuerte die Arche des Gerechten Noah bei der Sintflut
sicher durch die Wasser. Wsh 10,5: Zur Zeit der
Sprachenverwirrung erwählte sie den Gerechten Abraham und behütete ihn, sodass
er stark und ohne Tadel vor Gott blieb. Wsh 10,6-9: Sie verhalf dem
Gerechten Lot zur Flucht aus den fünf Städten und befreite ihre Diener aus
jeglicher Mühsal. Diejenigen aber, die ihr nicht dienten, kamen zu Schaden. Daraus
ist zu schließen, dass es einen Kult um diese Göttin gegeben haben muss.
Origenes übertrug das Wissen um Chokmah aus Salomos Sprüchen alias Sophia aus dem Buch der
Weisheit auf die Maria, die er in seiner Auslegung zum Hohenlied mit Sulamith identifiziert,
folglich Maria Magdalena.
4) Unsterblich
Der Begriff „unsterblich“
bezieht sich ebenfalls auf Frau Weisheit, lässt sich aber weder aus dem Hohenlied noch aus den Weisheitsbüchern direkt
extrahieren, sondern nur schlussfolgern. Betreffend der Weisheitsbücher ging
man einfach davon aus, dass die in den Proverbien und der Weisheit Salomos beschriebene
Göttin gar nicht anders als unsterblich sein konnte. Einen etwas klareren
Anhaltspunkt jedoch bietet uns das Hohelied in Hld 8,6-7:
„Leg mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel an
deinen Arm! Stark wie der Tod ist die Liebe, die Leidenschaft ist hart wie die
Unterwelt. Ihre Gluten sind Feuergluten, gewaltige Flammen.
Auch mächtige Wasser können die Liebe nicht löschen; auch
Ströme schwemmen sie nicht weg. Böte einer für die Liebe den ganzen Reichtum
seines Hauses, nur verachten würde man ihn.“
Bei diesen Zeilen handelt es sich um genau die Passage,
die am Festtag Maria Magdalenas, dem 22. Juli, in den meisten Messen gelesen
wird! Ihre Liebe ist „stark wie der Tod“, und ihre Leidenschaft „hart wie die
Unterwelt“. Der Bezug von der nächtlichen Suche Sulamiths und dem
frühmorgendlichen Gang Maria Magdalenas zum Grab, ihren Geliebten zu
suchen, ist hier ganz besonders offensichtlich. Es kann daher nur diese Stelle
im Hohenlied gewesen, die Origenes veranlasst hat, Maria
Magdalena als „unsterblich“ zu bezeichnen.
5) Ecclesia
Sophia ist zugleich auch die Braut Salomos, denn in Wsh 8,9 spricht dieser: „So
beschloss ich, sie als Lebensgefährtin heimzuführen; denn ich wusste, dass sie
mir guten Rat gibt und Trost in Sorge und Leid.“ Der ganze Abschnitt Wsh 8,9-18 beschreibt Sophia als seine Frau. Salomo wiederum ist der später
mit Jesus identifizierte Bräutigam des Hohenliedes, seine Braut ist Sulamith, folglich
Maria Magdalena. Dies musste auch Origenes bewusst gewesen sein, doch zugleich ließ sich die
Vorstellung eines womöglich verheirateten Jesus für ihn nicht mit dem
kirchlichen Glauben vereinbaren. Um dies zu negieren, entstand das Denkmodell
von der Ecclesia, der Kirche als Braut, und auch aus diesem Grund wählte Origenes die Allegorie als
Methode für seine Exegese.
Weil Origenes eine „Leidenschaft“
für Gott hat, sagt er, dass die Liebe, in dem, der Gott liebt, aus
„Wohltätigkeit, welche Gott ist“ besteht, und „Wohltätigkeit, in wem auch immer sie ist, liebt nichts Irdisches,
nichts Materielles, nichts Verführbares“. Origenes’ Ablehnung des
Materiellen und „Verführbaren“ führt ihn zu dem Glauben, dass die Seele „innere
Sinne“ hat, welche Christus zufriedenstellen.
Und dieser Glaube ist in seiner Exegese der Eröffnungsworte des Hohenliedes implizit
vorhanden: „Oh, dass du mich küssen
würdest mit den Küssen deines Mundes!“ Wie Origenes festhält, sehnt sich
die Braut nicht nach den Küssen ihres Geliebten, sondern sie ist die
Kirche-Maria-Seele, die sich nach den „heiligen Mysterien“ der Kirche sehnt,
„dem Wort Gottes“. Christus, so fährt Origenes fort, entzückt alle
Sinne der „vollkommenen Seele“, denn sie kann ihn riechen, schmecken, sehen,
hören und berühren. Und wenn die Braut
zu ihrem Geliebten ruft: „Deine Salböle duften köstlich“, so spricht
sie, wie Origenes sagt, von den
„Kosmetika“ der Seele. Diese „Kosmetika“ führen die Braut zur Entdeckung der
„Nichtigkeit der Welt“ und den „falschen Wundern verderblicher Dinge“, und
schließlich zu der Kenntnis der „Mysterien“ und der „Göttlichen Urteile.“
Die Göttin des Origenes: Maria Magdalena
Die Web-Autorin ina-lena sieht Maria Magdalena angesichts
der Zuschreibungen seitens Origenes als Aspekt der Göttinnen-Trinität Mari-Anna-Ištar und Priesterin eines Frauenordens,
welcher die besagte Göttin verehrte, und welchem die drei
Türme des Salomo-Tempels geweiht waren.[20]
Gerade durch den Bezug zu den Türmen wäre ein Bezug zu Maria Magdalena in
Zusammenhang mit diesem Kult natürlich durchaus naheliegend. Doch die
Äußerungen von Origenes über Maria Magdalena
legen sogar noch viel mehr nahe. Der Essenz zufolge, die sich aus seiner
Theologie ergibt, war sie nicht nur eine Priesterin, sondern sogar eine
Göttin! Origenes vermeidet diesen
Begriff zwar, doch das, was von ihm bezüglich der Magdalenengestalt überliefert
ist, bringt dies nichtsdestoweniger zum Ausdruck:[21]
Die Seele
Jesu, von Anfang an existierend, habe den Logos völlig in sich aufgenommen, so
dass sie mit ihm ein Geist wurde und derart seine Menschwerdung vermittelte.
Die Natur Gottes könne sich nicht ohne Vermittlung mit dem Leib verbinden, oder
anders gesagt: Inkarnation sind grobstoffliche Materie sind heilsnotwendig. Das
Himmlische Jerusalem, wie Origenes Maria Magdalena
nennt, sei nun die Mutter der Seele Jesu! Da Maria Magdalena
beziehungsweise ihre Seele folglich ebenfalls vor Beginn aller Zeit an gelebt
haben muss, hat sie diese Präexistenz mit Jesus gemein: das Göttliche
Urpaar! Maria Magdalena bekommt hier, wendet man Origenes’ eigene Bezeichnung
für sie als „Jerusalem“ konsequent an, also
sinngemäß den Rang einer Muttergöttin, welche die
Mutter der Seele Jesu ist, zugeschrieben! Wir
finden, wie bereits festgestellt, die Sprechweise „vor Beginn aller Zeit an
lebend“ auch bei der Sophia der ATlichen
Weisheitsbücher (Prov 8,22-31), was einmal mehr
eine Assoziation von Sophia und Maria Magdalena
nahelegt. Nimmt man nun Origenes und die Bibelstelle
exakt beim Wort, so kann Sophia-Maria Magdalena, obwohl
sie der Seele
Jesu Mutterseele ist, nicht vor,
sondern höchstens gleichzeitig mit ihm existent gewesen sein, da Origenes ja sagt, die Seele Jesu habe von Anfang an
existiert. Der Seele
Jesu Mutterseele muss sie ihm
zufolge also in einem allegorischen Sinn sein, nicht in einem schöpferischen.
Als – gemeinsam mit Jesus – urerste Seele ist sie
hierdurch natürlich auch „unser aller Mutter“, doch hat diese Bezeichnung noch
einen weiteren Sinn: „und der Gottessohn verließ Vater und Mutter (den
Weisheitsbüchern nach also Jahwe und Sophia), und hing
seiner Frau, der gefallenen Kirche an, die sein Leib sei.“ Diese Verbindung
Christi mit der Kirche sieht Origenes vor allem im Hohenlied dargestellt; sie
entspricht der Verbindung des Logos mit der gläubigen Seele. Die erotische
Sprache des Hohenliedes vergeistigt er: Küsse bedeuten bei ihm die Übertragung
von Erkenntnis – die Parallelen zu gnostischen Lehren, genauer gesagt deren
Geist-Materie-, Gut-Böse- und Mann-Frau-Dualismus sind unübersehbar.
Selbst die heilige Schrift, ohne die laut Origenes keine Erkenntnis
möglich sei, sieht er als Leib Christi an; zugleich aber sei sie ein Werk der Ruachmutter. Da nun Maria
Magdalena, wie im Hohenlied versinnbildlicht,
als Sulamith die gefallene Kirche
beziehungsweise die Ecclesia darstellt, die sich
wieder nach dem Heil sehnt und dann wie Maria Magdalena daran festhält, ist sie
diese auch in diesem Sinn wie bei Hippolyt: die Neue Eva = „unser aller
Mutter“, und „unsterblich“ = ewig treu. Die Göttliche Weisheit, Sophia, ist für Origenes auch die Führerin,
die uns durch Schöpfung und Bibel von den irdischen Dingen zu den Himmlischen
hinüberführen will, was gut zu der von Jesus als Führerin
beziehungsweise Apostelin Bestimmten passt.
Darin, dass sie die Mutterseele der uranfänglichen
Seele
Jesu sei, liegt auch kein Widerspruch zu der biblischen Aussage, dass sie „aus
dem Munde des Höchsten“ hervorging, somit Tochter und erstes Geschöpf Jahwes
sei, da Origenes diesen über und vor Allem
denkt.
In der vorhergehenden Passage kann man sehr gut Maria
Magdalena als archaische Muttergöttin ausmachen –
beziehungsweise das, was in der Gedankenwelt des Origenes davon übrigblieb.
Neben den Parallelen zu Hippolyt (Neue Eva, Ecclesia) sind bei ihm auch Ähnlichkeiten mit
gnostischen Systemen, besonders dem valentinianischen, erkennbar, da hier wie
dort männlicher und weiblicher Aspekt oft harmonisch zusammenwirken und eine
vergleichbare, doppeldualistische Denkweise auszumachen ist. Wichtig wird bei Origenes die Frage nach der
„sündigen Frau“, was von seiner Anschauung Platons im Symposion und der dort
erwähnten „gewöhnlichen“ Aphrodite herrühren dürfte. Die gefallene Frau ist
die Kirche, die als Eva sündigte und sich als Maria Magdalena reinwäscht durch die Liebe
zu Christus. Doch die Kirche muss
auch belehrt werden, und diese Belehrungen geschehen durch Jesus, die
personifizierte Liebe. Mit Blick auf den Einfluss von Platon auf Origenes hat er somit die alte heidnische,
buhlerische Liebe der Gewöhnlichen Aphrodite
umgewandelt in eine höhere Liebe, welche zur Grundlage einer neuen Kirche und
der menschlichen Entwicklung wird, was zugleich natürlich auch impliziert, dass
Maria Magdalena die Himmlische Aphrodite ist.
*
Hinweis
Bei
diesem Artikel handelt es sich um einen unwesentlich veränderten Auszug aus meinem
Buch
[1] Dalichow, Irene: Die
heiligen Huren, In: Esotera 49. 1998, 6, S. 40-43.
[2] Walker, Barbara G.: Das geheime Wissen der Frauen, München 1997.
[3] Malvern, Marjorie M: Venus in sackcloth. The Magdalen's origins and
metamorphoses, Carbondale, IL 1975.
[4] Vogt, Hermann-J.: Origenes, Origenismus, In: LThK 7. 1998, Sp. 1131-1135.
[5] Origenes; Suso Frank, Karl (Üb.): Zwei Homilien
zum Hohen Lied, In: (ders.): Das Hohelied, Einsiedeln 1987, S. 25-78.
[6] Suso Frank 1987, S. 27.
[7] Fischer, Henning: Der Mystiker Jesus von
Nazareth. Eine „andere“ christliche Weisheitslehre für alle geistig Suchenden,
Münster/Wf. 2007, S. 32.
[8] Übersetzung nach Malvern 1975, S. 57.
[9] Jacobsen
Buckley, Jorunn: "The Holy Spirit is a double name". Holy Spirit, Mary, and Sophia in the Gospel of Philip, In: Images of the feminine in Gnosticism, Harrisburg, PA 2000, S. 211-227, S. 212f.
[10] Malvern 1975, S. 63.
[11] Malvern 1975, S. 61.
[12] Malvern 1975, S. 60.
[13] Suso Frank 1987, S. 46.
[14] Ullmann, Walter: Die Sophia-Lehre des Origenes im
1. Buch seines Johanneskommentars, In: Studia Patristica, Leuven/Berlin, 16.
1985, 2, S. 271-278.
[15] Malvern 1975, S. 58, 64.
[16] Malvern 1975, S. 60.
[17] Malvern 1975, S. 65.
[18] Die Einheitsübersetzung übersetzt „braun“
anstelle dem sonst häufiger angegebenen „schwarz“.
[19] Suso Frank 1987, S. 47ff.
[20] ina-lena, Ein paar Frauengeschichten aus dem
Bayerischen Nationalmuseum, http://amore-animali.blog.de/2010/02/28/paar-frauengeschichten-bayerischen-nationalmuseum-8088988/;
vom 28.02.2010.
[21] Zum Folgenden vergleiche Vogt 1998, Sp. 1133.
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