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Die kleine Meerjungfrau und der Archetypus des Göttlich-Weiblichen

Die kleine Meerjungfrau

und der Archetypus des Göttlich-Weiblichen

by Margaret Starbird © 1999

Deutsche Übersetzung von Klaus Mailahn © 2007

Vor nunmehr 19 Jahren schrieb die Theologin Margaret Starbird diesen Essay, den ich vor elf Jahren ins Deutsche übertrug. An seiner Aktualität hat sich bis heute nichts geändert. Wenn man den Inhalt gelesen hat, scheint die Frage berechtigt. Hat man bei der Disney-Gesellschaft Sympathien für Maria Magdalena und ihre Symbole? Urteilt selbst:
Arielle, „die kleine Meerjungfrau“ des Disney®-Films, die in der englischen Originalfassung „Ariel“ heißt, ist viel mehr als ein Märchen für kleine Mädchen. Vor allem ist sie eine ausdrucksstarke Metapher für die Notlage des „Göttlich- Weiblichen“ im Verlauf mehrerer tausend Jahre westlicher Zivilisation. Weil Maria Magdalena, die „Verlorene Braut“ der christlichen Geschichte, eine „Trägerin“ des Göttlich-Weiblichen“ ist (de facto eine Verschmelzung aus Aphrodite, Athena und Demeter, ganz zu schweigen von ihren Ähnlichkeiten mit Isis, Inanna, Astarte - und der Heiligen Sophia!) ist die Diskussion besonders hinsichtlich ihrer Person relevant. Mit Christus als dem Herrn des Zeitalters der Fische war sie mit ihm zusammen und seine Braut, um mit ihm gemeinsam das heilige Mandala des „Hieros gamos“ des Fische-Zeitalters zu bilden.
Was geschah mit dieser „Göttin“ der Alten Welt - sie, die „Königin von Himmel und Erde“ war? Sie wurde systematisch abgewertet und kleingemacht, herabgesetzt in die wässrigen Tiefen unseres Unbewussten wie Ariel, die Siebte von sieben Schwestern, kontrolliert und benutzt vom „wohlwollenden“ Patriarchat in Gestalt von Ariels Vater, König Triton im Disney®-Film. Ariels Gesicht ist dunkel, wie das der Braut im Hohenlied der Liebe (Hld 1,5), braungebrannt von der Arbeit in den Weingärten ihrer Brüder. Und sie hat langes, welliges rotes Haar, ein gern genanntes Merkmal von Maria Magdalena.
Und was ist der Traum und die Sehnsucht von Ariel, der kleinsten Meerjungfrau? Nun, auf der grünen Erde umher zu wandeln, draußen im Sonnenlicht. Bemerkenswerterweise ist es im Disney®-Film nicht Ariel, die der Erlösung bedarf, nein, es ist der „schöne Prinz“, der in größten Schwierigkeiten ist, schiffbrüchig und sterbend - in dem Zustand, in dem sich das Patriarchat vor dem heraufdämmernden Aquarius befindet. Es ist Ariel, die SEINE Erlöserin ist, nicht umgekehrt!
In ihrer Grotte unter dem Ozean sammelt Ariel Artefakte aus spanischen Galeonen, die in der See Schiffbruch erlitten haben. Sie untersucht die von den Menschen alltäglich benutzten Gegenstände und wundert sich, was sie für die Menschen bedeuten könnten. Unter ihren Schätzen befindet sich auch ein „Magdalena mit der rauchenden Flamme“ genanntes Gemälde von Georges de la Tour. Darauf fällt Marias Blick sinnierend auf eine brennende Kerze, die auf dem Tisch neben ihr steht. Im Film versucht Ariel, die Flamme aus dem Bild herauszuzupfen.
Von all den möglichen Bildern, die aus Kunstgalerien rund um die Welt verfügbar sind, ist es unglaublich aussagekräftig, dass die Regisseure des Disney®-Films sich ausgerechnet Maria Magdalena auserkoren haben, um sie an den Grund des Meeres zu platzieren, da sie es ist, die die verlorene Braut und den Archetypus des „Göttlich-Weiblichen“ als Partnerin im Christentum darstellt. Sie repräsentiert auch die Kirche als Braut und wurde von den frühen Kirchenvätern als Vorbild für die „Ecclesia“ - die von Christus erlöste „geliebte Gemeinschaft“ - erkannt. In diesem Zusammenhang ist es fast schon unheimlich, dass die kleine Meerjungfrau Ariel genannt wird, denn Ariel ist ein Synonym für Jerusalem, die belagerte Heilige Stadt (Jes. 29,1-8). Entweder wurde diese Symbolik von den Regisseuren des Films bewusst verwendet, oder aber sie tauchte spontan aus den Tiefen ihres Unbewussten auf, jedenfalls schien sie intuitiv dafür geeignet zu sein!
Und was ist die Voraussetzung der jungen Ariel? Sie ist ebenfalls in Bedrängnis. Für ihren Wunsch, menschlich zu sein, wird sie gescholten und geneckt. Selbst ihr ansonsten gutmütiger Vater verschwört sich mit der Seehexe Ursula, um zu verhindern, dass sie sich mit ihrem Geliebten verbinden kann. Ariels Stimme wird ihr gestohlen und sie wird eine Prostituierte genannt. Ohne ihre Stimme ist sie nicht in der Lage, ihre Wahrheit auszusprechen. Auf ganz ähnliche Weise wurde die Stimme von Magdalena „gestohlen“, als man sie eine Prostituierte nannte - und das ohne jegliche biblische Rechtfertigung! Ihre Geschichte wurde entheiligt, und wie bei der Braut im Hohenlied der Liebe wurden ihr die Gewänder und ihr Mantel der Ehre von den „Wächtern der Stadttore“ genommen (Hld 5,7).
Im Film verliert die kleine Meerjungfrau durch einen Unfall Buch und Spiegel. Bei diesen handelt es sich um Ikonen, Wahrheitsbilder, die sich durch die Kunst des Mittelalters identifizieren lassen. Der Spiegel ist nicht nur ein Symbol für die weibliche Eitelkeit, sondern repräsentiert auch die Rolle der grobstofflichen Welt (Mater, Mutter, Materie), in der das Göttliche im „Fleisch“ manifestiert ist, sowie der Mond die Sonne reflektiert. Die „Sophia“ wird der „makellose Spiegel“ der Göttlichen Energie genannt. Das Buch stellt alle Gesetze der Natur und des Geistes dar - Wissenschaft und Offenbarung - und die Weisheit, nach den Geboten Gottes zu suchen und sie zu erfahren. In der mittelalterlichen Zeit wurde das Sprichwort „Nichts ist ohne Bedeutung“ auf jedes Sinnbild in jedem Gemälde bezogen. Ich würde gerne einmal den Regisseur des Disney®-Films fragen, ob diese Sinnbilder durch ein heiliges Versehen zur Verwendung kamen - oder mit Absicht.
Ein interessanter Nebenaspekt ist, dass man von der als „Marias Wein“ in der Häresie des Heiligen Grals identifizierbaren Blutlinie der Merowinger sagt, dass sie eine Meerjungfrau als Ahnin habe und von einem König Merowe (Merowing) abstamme, der halb Mann, halb Fisch war. Unter den mittelalterlichen Wasserzeichen, die sich auf die Häresie dieser Blutlinie beziehen, sind Meerjungfrauen sehr herausragend, und einige davon werden mit den Lilien der Merowinger, die sich um ihre doppelten Fischschwänze ranken, abgebildet. Die Verbindung von Maria Magdalena mit der Meerjungfrau und der „Königin der See“ ist sehr alt.
Was ist der entscheidende Wunsch des durch Ariel verkörperten, abgewerteten weiblichen Archetypus'? Natürlich mit dem „Göttlich-Männlichen“ in heiliger Partnerschaft wiedervereint zu werden - nicht seinen Interessen als ihr Erlöser und Lehrer untergeordnet zu werden, sondern seine Partnerin, seine Geliebte und seine Gleichgestellte zu sein. Einige Frauen sind nach Jahrhunderten des Daseins als „kleine Schwester“ kaum noch fähig, sich dies vorzustellen, eines der bittersten Epitheta der Braut im Hohenlied der Liebe (Hld 8,8)!
Carl G. Jung spricht von diesem Zustand des Patriarchats am Ende des Zeitalters, wenn seine Energie aufgebraucht und nicht länger in der Lage ist, das über Millennien aufgebaute „Establishment“ aufrechtzuerhalten. Das „Männliche“ erleidet einen Burnout. Jung nennt dies „Enatiodromia“. An einem bestimmten Punkt wird das Weibliche auferstehen, um ihm seine Kraft zu leihen, und in einer neuen Ära werden sich die Beiden versöhnen und vereinigen, um eine neue kulturelle Kraft für das nächste Zeitalter schmieden zu können. Es ist nun an der Zeit für das „Göttlich-Weibliche“, in den verrinnenden letzten Stunden des Zeitalters der Fische seine Rolle zu spielen, denn ihr Prinz kann ohne sie nicht vollständig sein!
Wie interessant, dass das Bild der kleinen Meerjungfrau, ausgestattet mit den MMs von Maria Magdalena, die sich an den Enden Ihrer Schwänze und in ihrer Krone finden, nun überall weltweit an den Straßenecken in Gestalt des Starbucks®-Logos hängt! Sie ist die „Sirene“, die uns aus unserem Unbewussten ruft, hoffend, dass wir ihre Stimme hören mögen!
Indem sie sich hoch zu ihrem Geliebten erhebt, ist sie fest entschlossen, ihren Weg in unser bewusstes Leben zu finden.

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